Weiß und blau

Der letzte Beitrag hier hieß „Auftaktfahrt“ und ist vom sechsten Januar. Das Loch bis jetzt beschreibt ganz gut meine sportlichen Aktivitäten in dieser Zeit. Ein beredtes Schweigen sozusagen.

Aber jetzt könnte ich mal wieder was erzählen. Ich war nämlich Radfahren. Boah. Toll. Nein wirklich, war toll. Über hundert Kilometer und unglaubliche tausend Höhenmetern. Wer hier schon länger mitliest, wird wissen, was das für mich bedeutet. 

Demnächst habe ich mal wieder was Größeres vor und dachte, so ein bisschen Training vorher könnte ja nicht schaden. Und dann sehe ich auch noch, dass ich mir schon zum Jahresanfang  für den Brückentag Urlaub eingetragen hatte. Passt doch.

Die Schwägerin will mich auf den ersten Kilometern begleiten. Obwohl es in der Früh übel stürmt,  kalt ist  und auch ein bisschen regnet, stehe ich um neun bei ihr parat  im südlichen Landkreis, von wo aus wir die Tour starten.  Ist ja schon schön, wenn man auf dem Land wohnt und gleich hinter der Ortsgrenze die Natur beginnt. Von mir daheim ist es mindestens erstmal eine halbe Stunde durch bewohntes Gebiet.

Nach einer dreiviertel Stunde biegt die Schwägerin wieder Richtung Heimat ab und ich fahre alleine weiter. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Menschenleer die Dörfer und sogar die Straßen. Einfach nix los. Schön.

Ich hatte zwar eine Tour geplant und auf das Garmin geladen,  aber das Garmin ist tief in der Tasche und ich fahre nach Sonne und Stimmung. Lieber nach Lochen oder doch eher Linden? Ascholding? Hört sich komisch an. Das meide ich lieber.

Zwischendurch schau ich natürlich schon mal auf die Karte, denn so ganz grob will ich mich ja doch an meinen Plan halten. Konkret hätte ich das mal in Beuerberg machen sollen. Nächstes Ziel von da war Seeshaupt am Starnberger See. Radweg ist keiner ausgeschildert und die Autostraße gefällt mir nicht. Jedenfalls nicht so gut wie der Radweg auf der alten Bahntrasse nach Eurasburg. Fahr ich halt da. Werde von da schon irgendwie an den See kommen, denk ich mir so. Ja, komme ich auch, aber nur über den Schlossberg in Eurasburg. Der hat satte achtzehn Prozent Steigung, eine eigene Seite auf Quäldich.de und stellt sich im Strava-Höhenprofil als senkrechte Wand da. Mit ordentlichen E-Bikes kann man da übrigens auch in höherem Alter ganz locker hochtreten und dabei auch noch (hämisch?) grüßen.  Ich schiebe.

Von oben geht es dann etwa zehn Kilometer runter zum See, auf dem geraden Weg, wie komoot ihn vorschlägt, was Stock und Stein und frisch geschotterte Waldwege bedeutet. Ich bin sehr froh über a) meine neuen Bremsen und b) den Schwalbe Marathon. Ich würde mich noch mehr freuen, über a) gefederte Gabel und b) gefederte Sattelstütze.

Am See ist es erwartungsgemäß nicht mehr ganz so einsam, aber immer noch nicht voll. Ich fahre erstmal weiter ans Südende nach Seeshaupt, um ein Landkreisschild einzufangen. Gar nicht so einfach, ich fahre zweimal dran vorbei, weil der Radweg natürlich idyllisch weg von der Straße liegt. Aber dann finde ich es doch, mache unter Lebensgefahr schnell ein Foto und suche mir dann ein Eis und eine schöne Stelle am Wasser und fühle mich wie im Urlaub. Dazu gehört auch, dass ich mir jetzt doch mal Sonnencreme ins Gesicht schmiere. Der Regen und die Wolken sind schon lange weg, es ist noch recht frisch und windig, aber die Sonne brennt schon ganz ordentlich.

Inzwischen habe ich schon siebzig Kilometer und die meisten Berge hinter mir und ich fühle mich noch richtig gut. Bis Starnberg sind es nur noch fünfzehn, dort könnte ich in die S-Bahn steigen.

In Starnberg erwischt es mich fast, als  ein dickes Schnöselauto mit Bootsanhänger aus einer Einfahrt auf den Radweg fährt. Ich muss wirklich ordentlich bremsen. Leider muss ich ihn daraufhin etwas anschreien. Und dann will er mir auch noch erzählen, dass ich auf der falschen Seite fahre, was ich aber nicht tue.

Mit dem frischen Adrenalin im Blut beschließe ich weiter zu fahren. Ich peile das Würmtal an, aber irgendetwas geht schief und mein Weg führt mich zwar in die ungefähr richtige Richtung aber nicht durchs Würmtal. Kurz vor der Hundertkilometer-Marke komme ich ins Einzugsgebiet der Großstadt und bin ganz schnell ordentlich genervt vom Verkehr.  Aber dafür habe ich die Würm wiedergefunden. Ich lade mich bei meinen Eltern, die an der Würm wohnen, zum Abendessen ein und biete ihnen meinen Proviant, den ich mir unterwegs gekauft hatte, an. So ganz begeistert sind sie nicht von der alten Breze und der Wurst aus der Landmetzgerei in Königsdorf.

Für die Fahrt quer durch die Stadt heim gönne ich mir die S-Bahn. Das ist dann allerdings sozial recht anstregend, weil nicht alle Mitfahrer es verstehen, warum man gerne mit einem Rad in einem Fahrradabteil und gültiger Fahrradkarte außerhalb der Sperrzeit befördert  werden möchte.

Daheim schaue ich mir erstmal meine Tour elektronisch an und bin begeistert. Tausend Höhenmeter meldet Strava, Garmin ist etwas sparsamer. Aber egal. Ich freue mich. Und ich freue mich auf meine nächsten Abenteuer. Ich werde berichten.

Gefahren bin ich die Tour übrigens mit dem Giant Anyroad, was eine bergtauglichere Übersetzung hat. Mit dem Rennrad wäre ich schon bei der ersten Anhöhe gnadenlos eingegangen.

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8 Gedanke zu “Durch das Oberland”
  1. Hallo Alexandra,
    bist du mit dem AnyRoad noch zufrieden? Knarscht es (der Vorbau war es glaube ich) denn noch so? Ich liebäugele mit dem Rad….

    1. Hallo Sandra, seit deiner Frage beobachte ich und das Anyroad intensiv. Wir sind auch gerade wieder auf Tour, da ist genug Zeit. Also, spontan ja, ich bin noch zufrieden. Aber… Wenn ich mir mein nächstes Rad aussuchen könnte, würde ich definitiv hydraulische Scheibenbremsen wollen. Die letzten zwei Tage war ich in bergigem Gegenden und hatte manchmal Angst, dass ich nicht rechtzeitig zum Stehen komme (mein eigenes hohes Gewicht zzgl Gepäck).
      Dann ist der Enge Radstand definitiv Übungssache. In engen Kurven muss die Kurbel senkrecht stehen, sonst bleibt meine Schuhspitze im Rad vorne hängen. Passiert mir nicht mehr oft, aber heute mal wieder.
      Der Vorbau knarzt zur Zeit nicht. Kann sich aber jederzeit ändern.
      Ansonsten habe ich nur Gutes zum Anyroad zu sagen! Es passt zu meiner Anatomie und auch nach einem Tag im Sattel tut mir nicht alles weh. Mein Mann testet gerade eine gefederte Sattelstütze. Wenn der Test gut verläuft, denke ich evtl auch darüber nach. So ganz ohne Federung sind manche Wege schon anstrengend.
      Ich wünsche dir eine gute Entscheidung. Kannst ja mal melden, wenn du dich entschieden hast. Würde mich interessieren. Auch Alternativen. Viele Grüße, Alexandra

  2. Wow, 100km und ca. 1000Höhenmeter, das pack ich nicht. Naja, Flachlandbewohner halt. Dafür zeigt der tacho knapp 1000km für dieses jahr. Da bin ich ganz zufreiden. 50km und 300hm im Teuteburger Wald heute haben mir gereicht, allerdings mit Gepäck.
    Also Gratualtion und Hut ab!

    Gruß Olaf

    1. München liegt ja auf über 550 Meter. Das ist quasi Höhentraining das ganze Jahr über. Irgendwann muss sich das bemerkbar machen. Viele Grüße, Alexandra

  3. Huhu – hier schreibt die Schwägerin!
    Und ich war auch dankbar für das Rausholen aus dem Müßiggang. Ich konnte zwar nur 27 km aufzeichnen, war aber auch ganz stolz. 100 km spare ich mir für einen anderen Tag!
    Schön, dass das Schweigen überwunden scheint. 🙂
    LG
    Henrike

    1. Die Hundert fallen, wenn sie reif sind. Oder du. Aber der Tag wird kommen. Wegen dem Schweigen. Tja, mal sehen. Aber wenn mir nix einfällt, gibts nix zu lesen.

  4. LIebe Alexandra,
    wow, was für eine tolle Tour! Da war ja wirklich alles drin, was frau sich wünschen kann. Gesellschaft und Einsamkeit, Steilwände und abenteuerliche Abfahrten bezwungen, Schnöselfahrer angeschnauzt und soziale Kontakte in der S-Bahn geknüpft! 😉
    Dazu noch Eis und Urlaubsfeeling – einfach nur herrlich! 😀

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