Ein neuer Gastbeitrag von einem alten Bekannten: Ein Interview mit dem Mann (nennen wir ihn ab jetzt Jürgen). Er lief neulich seinen ersten Marathon und beantwortet hier unsere Fragen.


Du bist vor fünf Wochen deinen ersten Marathon gelaufen. Wie geht es Dir? Jetzt und damals direkt danach?

Den einfacheren Teil der Frage “wie geht es Dir jetzt” kann ich frei nach Sepp Herberger beantworten: Nach dem Marathon ist vor dem Marathon. Jetzt, wo ich erlebt habe, dass ich es schaffen kann, möchte ich nicht gleich wieder aufhören. Welcher Marathon es nächstes Jahr werden wird, steht noch nicht fest. Wenn es geht, soll es aber nicht wieder ein “Heimspiel” werden.

Die Frage nach dem Gefühl direkt nach dem Lauf ist nicht so einfach zu beantworten. Mir war die Freude am Angekommen-sein fast ein wenig im Hals stecken geblieben. Woran das lag, kann ich nicht beantworten. Das gute Gefühl und auch ein wenig Stolz kam erst die Tage danach langsam.

Wie hast Du Dich vorbereitet? Hattest Du einen Plan? Einen Trainingspartner?

Jürgen läuft und der Sohn auf dem Rad daneben
Die Familie ist gemeinsam unterwegs. Dreißig Kilometer sind auch für den Sohn eine Leistung.

Einen Trainingsplan hatte ich nicht. Ich mag es nicht, wenn mich ein Plan zu einem Zeitpunkt zu etwas treibt, worauf ich gerade keine Lust habe. Ich höre lieber auf meinen Körper, der sagt normalerweise zuverlässig, ob Zeit ist zu laufen oder lieber ein paar lockere Kilometer auf dem Fahrrad zu sitzen. Dass man nicht drei Tage hintereinander eine zweistellige Kilometeranzahl läuft ohne am dritten Tag ausgepowert zu sein, wissen die meisten Läufer aus eigener Erfahrung.

Der einzige in Zahlen fassbare Plan, den ich hatte, war, dass ich von der “You vs. the Year”-Endomondo-Herausforderung einen angemessenen Anteil der geforderten 1000 km vor dem Wettkampf im Oktober geschafft haben wollte.

Trainingspartner hatte ich keinen. Das liegt zum einen ein bisschen daran, dass ich mich nicht an Pläne binden mag. Der gewichtigere Grund ist wohl aber, dass meine Trainingszeit hauptsächlich auf den Morgen fällt, wo ordentliche Menschen schon arbeiten, ich – als Spätaufsteher – aber noch laufend zur Arbeit unterwegs bin.   

Erzähl mal vom Tag vor dem Lauf!

Jürgen hat seine Startnummer abgeholt.
His lucky number

Soweit ich ihn noch in Erinnerung habe, war der recht unspektakulär. Wir sind zum Abholen der Startunterlagen zum Olympiazentrum gefahren. Auf der Sportmesse haben wir noch ein paar Kleinigkeiten gekauft.

Das einzige, das wirklich bei mir hängen geblieben ist, war ein kleiner Plausch mit Bekannten aus Dänemark, die wir dort getroffen haben. Erfahrene Marathonläufer, diesmal allerdings nicht am Start wegen kleinerer gesundheitlicher Beschwerden. “The last third is torture”, hat mir dann doch etwas die Zuversicht genommen, da ich diesen Abschnitt bisher – auch nicht mal im Training – kennengelernt hatte.  

Und jetzt bitte einen Rennbericht!

Der Start beginnt leider etwas chaotisch. Ich habe die am Vortag neu erworbene Wind-Regen-Jacke mitgenommen, da der Tag doch etwas kühl begonnen hatte. Schon vor dem Loslaufen merke ich, dass ich sie nicht brauchen werde. Also ausziehen und zusammenknüllen auf ein ca. Tennisball großes Etwas. Wohin damit? In die Laufhose, da diese aber keine Taschen hat, klemme ich sie einfach auf Hüfthöhe ein. Doch da macht sich das Ding selbständig auf dem Weg nach unten. Also wieder aus den Tiefen der Hose raus kramen, natürlich unter Beobachtung von hunderten von Zuschauern, die uns schon am Startblock anfeuern. Peinlich!

Vorsichtig wie ich bin, hatte ich mich für eine geschätzte Laufzeit von 4:15 eingetragen, was Startblock C bedeutet. Bis sich das Feld soweit gelichtet hat, dass man unbehindert sein eigenes Tempo laufen kann, dauert es bis in den Englischen Garten (ca. Kilometer 8). Bis dahin habe ich die Pacemaker 4:15, 4:00, 3:45 überholt. Es läuft sich gut heute. Mit Erschrecken stelle ich bei Kilometer 10 fest, dass ich mit Puls 170 unterwegs bin, aber was soll es, heute läuft es halt. Die Halbmarathonmarke passiere ich immer noch in einer Zeit und mit einer Kondition, von der ich im Training nur träumen kann. Die Startnummer zieht nach vorne.

Bei Kilometer 24 werde ich endlich meine zusammen gekugelte Jacke los, die bis dahin am Gummizug um mein Handgelenk getragen haben. Etwas nervig! Frau und Sohn jubeln mir an der Berg-am-Laimer Unterführung zu und nehmen mir die Jackenkugel endlich ab.

Läufer beim München Marathon in der Rosenheimer Straße
München Marathon, Haidhausen, Kilometer 26

Langsam aber sicher stellt sich dann doch eine Erschöpfung ein, mein Tempo wird auch für mich spürbar langsamer. Die Strecke kenne ich schon aus den vergangen Jahren, denn sie deckt sich mit der Halbmarathonroute. Mit dem Tempo sinkt auch die Motivation, vor allem überholen mich jetzt schon wieder mehr Läufer, als ich andere überhole. Die haben Ihre Kondition wohl besser eingeteilt.

In der Innenstadt steht spürbar mehr Publikum an der Strecke, jetzt heißt es zusätzlich einen guten Eindruck zu machen, obwohl die Beine eigentlich schon nicht mehr richtig vom Boden hoch kommen wollen. Vor lauter “Guten-Eindruck-machen” übersehe ich am Marienplatz sogar Frau und Kind, die mich dort schon zum dritten mal anfeuern.

Von der Ludwigstraße führt ein Umweg durch die Maxvorstadt, wo die schnellen Läufer mit ca. 5 Kilometer Vorsprung schon wieder entgegen kommen. Neid. Hier einfach abkürzen…                                …wäre Beschiss. Also weiter. Und hier beginnt dann auch das am Vortag erwähnte letzte Drittel. Die Worte, die das beschreiben? Naja, das hatte unser dänischer Freund schon recht gut umschrieben: Torture. Mehr kann man dazu eigentlich auch gar nicht sagen. Die Kilometerschilder ziehen immer langsamer vorbei, die Erfrischungsgetränke erfrischen nicht mehr und eigentlich möchte ich nur noch ankommen.

Wenn ich das dann nicht auch noch irgendwie geschafft hätte, würde ich hier ja auch nicht berichten.

Bist Du in einem schwarzen Loch?

Nein.

Wie geht es denn jetzt weiter?

Mit dem Training werde ich im Winter etwas kürzer treten müssen (und wollen). Etwas stressig war das Zeitmanagement für das Lauftraining im Sommer schon.

Die Fahrradtage zwischen den Lauftagen habe ich eigentlich richtig genossen und vielleicht werden ich mich im kommenden Jahr etwas mehr an das Fahrrad als Sportgerät heran wagen.

Die Frau hat auf der Messe ein Angebot gefunden, das mich besonders reizen würde und das ich gerne angehen würde, wenn es zeitlich hinhaut: Laufen auf dem Jakobsweg in Spanien. Damit verbinde ich zwei Dinge, die mir in den letzten Jahren besonders wichtig waren.  


Anm. d. Red.: Hier bleiben wir dran. Das wird uns später auch noch interessieren. Übrigens: Der Mann war 2013 zwei Monate wandernd auf dem Jakobsweg unterwegs, was indirekt der Grund für die Gründung dieses Blog war (ist kompliziert). Und es sei auch erwähnt, dass Jürgen den Marathon in 3:33 gefinisht hat. 

2 Gedanke zu “Gastbeitrag: Interview mit einem Neu-Marathoni”
  1. Lieber Jürgen,

    danke für diesen Bericht! Interessant zu lesen, wie es dir ergangen ist und auch, dass du schon neue Pläne schmiedest! (Ich habe heuer schon von einer Kollegin gehört: ein zweites Mal mache ich das nicht mehr!) 🙂
    Gratuliere zu der Spitzen-Zeit und überhaupt zum finishen! Ich bin dann mal gespannt, was aus den Plänen wird…. 😀

    1. Liebe Regenfrau, vielen Dank!
      Deine Kollegin wird nach ein paar Wochen Bedenkzeit sicher Ihre Meinung noch ändern. Wenn erst mal der Frühling kommt…
      Über meine Pläne wird „die Frau“ hier sicher weiter berichten.

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