Fahrrad am Meer. Typisches HanseGravel-Bild

Dies hier ist die Geschichte meines ersten Bikepacking-Events, des HanseGravel 2019. 

Die Fakten zuerst, dann kommen die Emotionen: Der HanseGravel ist ein self-supported bikepacking event. Soll heißen, es gibt einen Route, ausgesucht und geprüft von den Veranstaltern, einen gemeinsamen Start und für den Rest sind alle selbst verantwortlich. Übernachtet wird gerne in der Natur. Der HanseGravel führt von Hamburg nach Stettin, entlang alter Handelsrouten der Hanse, etwas über 600 km, Start am 26. April in Hamburg-Entenwerder.

Im Januar bekam ich Wind von der Sache: Norddeutschland, kaum Höhenmeter. Genau mein Ding. Also melde ich mich an.  

Tag ≤ 0: Anreise

Vor Hamburg stehen noch ein paar Tage Familien-Wanderurlaub in der Sächsischen Schweiz und in Dresden. Schon lange geplant und unverschiebbar. Ich transportiere also Rad und Gepäck von München zuerst in den Osten und von dort weiter in den Norden. Immerhin springt noch ein halber Tag radeln auf dem Elberadweg bei raus. Und ich habe in Dresden noch Zeit mein Equipment zu vervollständigen: Eine Isomatte hatte ich zuhause vergessen, und außerdem gönne ich mir zwei Merino-Oberteile. (Spoiler: Die Isomatte zu kaufen war Quatsch, die Shirts dagegen Gold wert.)

Die vielen Stunden in deutschen Bahnen gehen auch vorbei, zwei davon in einem brandneuen ICE-Bahnabteil. Herrlich. Drei in einem ollen EC, wo der Schaffner mein Rad in ein Abteil schmeißt und es sich gleich mal ordentlich mit dem anderen Rad in dem Abteil verhakt. Manoman. 

Am frühen Nachmittag bin ich in Hamburg am Hauptbahnhof. Und irgendwann auch im Hotel nahe des Elbparks Entenwerder. Über meine Fahrt durch die Stadt nur so viel: Hamburg hat derzeit einen Radentscheid für bessere Radinfrastruktur am Laufen. Vollkommen zu Recht, wie ich festelle. Hamburger*innen, geht unterschreiben!!

Tag 1: Hamburg nach Travemünde: 116 km 

Gegen neun bin ich startklar und rolle rüber zum Startpunkt. Das Café Entenwerder hat extra für uns geöffnet, schon viele Räder stehen da, alle mit ähnlichem Setup. Meines ist ja ein bisschen unorthodox: Eine Ortlieb-Seitentasche, die Ortlieb-Lenkertasche und — als Reminiszenz and das Bikepacking – eine Apidura Saddle Pack. Im Café sehe ich gleich mal Jochen und bin froh über ein bekanntes Gesicht. Ansonsten kenne ich niemanden. Einer spricht mich an, dass er mich letztes Jahr beim MainFrankenGraveller am Straßenrand gesehen habe. Stimmt, ich war da als Groupie für den Mann. Ich staune über sein Gedächtnis. Ansonsten fühle ich mich eher nicht so wohl, Smalltalk ist nicht so mein Ding. Deshalb bin ich froh, dass Jochen und andere eine halbe Stunde vor offziellem Start losfahren. Ich schließe mich an. Zu viert suchen wir uns den Weg aus der Stadt. 

Durch Parkanlagen, Treppen hoch und runter („Muss das sein“ frage ich mich, sage es aber natürlich nicht laut.) und dann wird es ländlicher und wir sind auf dem Alsterweg. Jochens Tempo kann ich nicht mithalten und verabschiede mich schon mal prophylaktisch. Immer wieder brechen kleine und größere Gruppen heran. Ich lasse sie gerne vorbei ziehen. Denn mein Ziel ist Ankommen, nicht die Geschwindigkeit. 

Für die 600 Kilometer habe ich sechs Tage Zeit plus einen Tag für die Rückreise. Also jeden Tag mindestens hundert Kilometer. Sechs Tage lang. Das habe ich bisher noch nie gemacht. Ich kalkuliere mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fünfzehn Kilometern in der Stunde, was mir ziemlich den Stress nimmt. Und das macht es schön. 

Bei Kilometer 50 steht eine Bank. Ich mache ein Päuschen, winke den Vorbeifahrenden und kaue eine dunkle Banane. Gerade als ich wieder los will, kommen Takeshi und Joas an. Sie steigen für ein kurzes Gespräch ab. Ich freue mich, die beiden mal in echt gesehen zu haben. 

In Bad Oldesloe füllen die Gravelhanseaten die Fußgängerzone. Ich besorge mir schnell eine große belegte Semmel und mach mich vom Acker. Zu voll. Allerdings muss ich erst noch eine sehr erboste Anwohnerin beschwichtigen. Der Track führt durch ein Gässchen vor ihrem Haus, und dort ist leider noch Fußgängerzone. Sie schreit rum und macht Fotos von uns zum Anprangern. Es seien bestimmt schon hundert hier durchgebrettert. „Könnte hinkommen“, denke ich, halte an, zeige Verständnis und erkläre den Event. So kriegt sie ihren Blutdruck wieder runter und ich mein Foto gelöscht. 

Der Trail trudelt weiter, jetzt an der Trave. Das finde ich schön, weil wir beide das selbe Ziel haben: Travemünde. 

Es geht durch Auenwälder, über Wiesen und immer wieder am Raps entlang. Obwohl viel unasphaltiert ist, komme ich gut voran. Es macht mir Spaß, über Stock und Stein zu hüpfen. Das liegt auch zu einem guten Teil an meinen Reifen, die 40mm statt der bisherigen 32mm breit sind. Und weniger hart aufgepumpt. Das macht Laune, und die Sonne und der Track und die Aussicht, bald am Meer zu sein. Zwischendurch spricht mich mal einer an, einige erkennen mein Bike von Twitter und grüßen. Meist bin ich aber alleine. 

Auf Stadtbesichtigung in Lübeck habe ich keine Lust, ignoriere den Track hier kurz und fahre einfach an der Stadt vorbei weiter gen Norden. 

Im Bus unter der Trave durch fahren drei oder vier Hansefahrer mit, die auf der anderen Seite aber auch gleich schon weg sind. Kurz vor Travemünde treffe ich Wiebke aus Berlin. Sie ist mit einer Gruppe aus England unterwegs. Ich überlege kurz mit denen den Campingplatz in Priwall anzusteuern. Blöd halt nur, dass ich kein Zelt habe. Und keine Lust. Das Internet schlägt mir eine kleine Pension am Hafen vor. OK. Überredet. 

Strava-Track

Tag 2: Travemünde nach Bad Doberan: 104 km

Gut ausgestattet mit frisch gebackenen Kohlehydraten entere ich am nächsten Morgen die Fähre über die Trave nach Priwall. Auf der anderen Seite des Wassers klappert etwas an meinem Rad ganz schlimm. Eine Schraube am Gepäckträger hat sich gelöst. Ich finde sie tatsächlich im Sand liegen und mache mich an die Reparatur. Als ich fertig bin, donnert es und die dicken schwarzen Wolken entleeren sich über mir. Im Regen schaue ich nur kurz am Strand vorbei, winke dem Meer zu und mach mich dann weiter auf. Der Regen hat es zum Glück nicht so ernst gemeint. Die Sonne kommt raus und es wird wieder warm. Wenige Orte, viel Gegend und krasse Bodenbeläge: die schlimmen DDR-Betonplatten in allen möglichen Formen, und Sand. Viel Sand. Tief und schon durch gut hundert Radler*innen vor mir umgepflügt. Mein Rad knirscht und quietscht. Es braucht eine Dusche. In einem Dorf frage ich nach einem Dorfbrunnen und bekomme einen Gartenschlauch. Wir spritzen das Rad ab und ich erzähle, was es auf sich hat mit diesen vielen Fahrrädern, die gestern und heute hier durchgebrochen sind. Ich bin der Überzeugung, dass ich inzwischen das Schlusslicht bin, zumindest von denen, die mit Spot fahren. Also beruhige ich die Leute, dass das Schlimmste vorbei ist. 

Zwischen Grevesmühlen und Wismar habe ich keinen Spaß. Der Track ist sehr uneben, steinig und steil bergauf und bergab. Ich habe Sorgen, dass ich stürze und wochenlang nicht gefunden werde hier in der Einöde. Oder dass irgendwas am Rad kaputtgeht, was ich nicht reparieren kann und ich ewig laufen muss. Die Landschaft ist wirklich leer.

Aber irgenwann endlich wieder etwas Meer: Die Westseite der Wismarer Bucht. Ich bin dennoch nicht sehr froh, und während der Track sich durch Schrebergärtensiedlungen Wismar nähert, bedenke ich meine Optionen. Solche Tracks gehen über mein Können, technisch und konditionell. Ich bin zu alt und habe zu wenig Ehrgeiz, um mich da trotzdem weiter reinzustürzen. Aufgeben ist keine Option, also beschließe ich, mir etwas mehr Asphalt zu gönnen und vom Track leicht abzuweichen. Das rettet mir die Motivation, den Tag und die restlichen Kilometer bis Bad Doberan. Radwege neben Landstraßen sind nicht die schlechteste Erfindung. Schon gar nicht in Mecklenburg-Vorpommen. Die haben ein vorzügliches Netz an Radwegen. Jawoll. 

Bad Doberan. Ohne Stadtrundfahrt falle ich bei Janettes netter Pension vom Rad direkt ins Bett. 

Srava-Track

Tag 3: Bad Doberan nach Stralsund: 103 km

Wenn du morgens schon so angelacht wirst

Das Frühstück bei Janette ist super. Allein schon wegen des Eikorbs. Beim Abschied fragt mich die Wirtin, wo es hingehen soll heute. Stralsund sag ich. Sie schüttelt den Kopf. Ich: Wieso? Ist es gesperrt? Sie so: Nein, aber das sind über achtzig Kilometer, das schaffen Sie nie. 

Pah!

Kurz hinter Bad Doberan schiebe ich einen Hohlweg hoch und sehe ein bepacktes Gravelbike. Wiebke und, wie ich später lerne, Wolfgang haben hier im Wald genächtigt. Und ein paar Ecken weiter zeltet Christoph, noch ein Hansegravelate. Obwohl ich viel allein fahre, habe ich doch das Gefühl, nicht allein zu sein. Macht das Sinn?

Der Weg nach Rostock ist OK, so dass ich auf dem Track bleiben kann. Wie immer auf Radreisen habe ich gar keine Lust auf Städte und so versuche ich so schnell wie möglich aus Rostock rauszukommen. Üüübles Kopfsteinpflaster in der Altstadt. Wie halten die das hier aus zu radeln? Das Rad der Postbotin klappert mir die Antwort zu. (Aber auch hier gibt es einen Radentscheid, mit dem Radler*innen die Stadt für sich lebenswert machen wollen. Es tut sich was in Deutschland. Das aber nur am Rande :- )

Endlich raus. Der Fernradweg Berlin-Kopenhagen liegt vor mir. Das ist doch ein Angebot. Ich gönne mir zwanzig Kilometer Radweg-Highway und mit nur wenig schlechtem Gewissen. Einziger Nachteil: Ich verpasse dadurch das legendäre Häschendorf. Ein Foto, das in quasi jedem Blogbeitrag zum Thema auftaucht.  

Mittag in Ribnitz-Damgarten. Es ist Kirmes und während ich eine Tüte Pommes mampfe und aufs Wasser starre, spielt die Liveband südamerikanisches, das sich alles wie Guantanamera anhört. 

Trinwillershagen und Velgast. Der Wind kommt aus der richtigen Richtung. Das Wetter hält auch. Ich trudel so weiter vor mich hin. Eine Stunde vor Stralsund hocke ich im Wald und will mir gerade ein Quartier suchen, da kommt doch tatsächlich einer der Gravelaten an. Christoph. Ach, bin ich doch nicht die letzte. Wir reden ein bisschen und dann ergibt es sich, dass wir zusammen weiterfahren und auch im selben Haus übernachten werden. Seit langem mal wieder längere Gespräche. Christoph redet viel, so dass ich meinen Atem sparen kann. Er ist deutlich jünger und deutlich fitter als ich. Sowas stresst mich schnell, weil ich mich gehetzt fühle und dann aus der Puste kommen. Ich sage aber gleich, dass ich langsam fahre und so geht das dann.

Stralsund erreicht. Das schaffen Sie nicht. sagte die Janette aus Bad Doberan am Morgen. Pah!

Strava-Track

Tag 4: Stralsund nach Heringsdorf: 106 km

Heute würde ich endlich ans Meer kommen. Ans richtige Meer, das rauscht und einen ordentlichen Sandstrand hat. Ich freue mich schon sehr darauf. Doch davor stehen noch ein paar Anstrengungen. 

Christoph hat beschlossen, mich noch bis Greifswald zu begleiten und dann mit dem Zug heimzufahren. Ich weiß nicht, ob er wusste, was zwischen Stralsund und Greifwald liegt, nämlich dreißig Kilometer Kopfsteinpflaster. Ich habe diesen Abschnitt bei der Vorbereitung schon entdeckt. Und wie ich halt so bin, habe ich es mir ganzganz schlimm vorgestellt und war daher ein bisschen erleichtert, dass es das kleine Pflaster war, was sich einigermaßen fahren lässt. Einigermaßen. Trotzdem ziehen sich die Kilometer unendlich lang dahin. Twitterfreunde schlagen mir vor, laut zu singen. Das kann ich meinem Begleiter aber nicht antun. Irgendwann sind wir dann in Greifswald und unsere Wege trennen sich. Im alten Hafen gönne ich mir noch schnell eine Tasse Tee, ziehe noch ein paar Schichten an, weil es echt kalt und windig geworden ist, und fahre alleine weiter. 

Zwischen Greifswald und Wolgast halte ich mich an die Beschilderung des Vorpommerschen Radwegnetzes anstatt dem Garmin zu folgen, und sehe wunderschöne Baumalleen, kleine Weiler mit reetgedeckten Katen, Rehe, Hasen, Kraniche. Schön. 

In Wolgast nieselt es ein bisschen, aber der große Regen scheint schon vor mir hier gewesen zu sein. Bisher hatte ich wirklich Glück mit dem Wetter. 

Am Marktplatz von Wolgast gibt es Tee und Erdbeerkuchen. Und ich bin zufrieden mit mir. Auf einmal kommt ein Bike mit der typischen Bepackung an. Es ist Wolfgang, den ich gestern morgen in Bad Doberan schon mal kurz von weitem gesehen hatte. 

Wir radeln gemeinsam weiter auf die Insel Usedom und endlich bin ich am Meer. Yeah! Wolfgang muss Fotos von mir und meinem Rad am Strand machen. Mein Kilometerziel für heute ist in Heringsdorf erreicht. Also buche ich mir dort ein Zimmer. Wolfgang ist eher ein Draußenschläfer und sucht sich eine Schutzhütte.

Usedom hat übrigens ein ganz gräßliches Höhenprofil. Auf einmal steht da was von 16% Steigung. Rauf und runter. Immer durch den Wald, ab und zu auf der Standpromenade. Vorbei an endlosen Reihen von Wohnmobil-Stellplätzen. Immer das Rauschen des Meeres im Ohr. Hach. Hier ist es schön. 

Strava-Track

Tag 5: Heringsdorf nach Ueckermünde: 98 km

Bevor ich die Küste verlasse, muss ich nochmal an den Strand um Meer zu schauen. Auf der Promenade verpasse ich eine Abbiegung und stehe auf einmal in Polen. Einfach so, ohne Grenzkontrollen, ohne Stacheldraht. Ich werde ein bisschen sentimental und stelle wieder fest, dass ich Europa-Fan bin. 

Als der Track nach Süden abbiegt, wird es nochmal fies mit den Hügeln. Ich bin sauer und hätte gerne ein paar von den Rentner, die mich ratschend bergauf überholen, vom E-Bike geschubst. Weil man das aber nicht macht, schiebe ich halt weiter und grummel vor mich hin. Später wird es wieder flacher. Die Sonne scheint, aber es ist kalt und sehr windig von der Seite. 

In Usedom City schaue ich mir die Route nochmal genauer an und merke, dass ich mit einer kleinen Fährfahrt dreißig Kilometer sparen könnte. Zum Glück checke ich nochmal genau und sehe, dass ich die Fähre erst am 1. Mai ihren Betrieb aufnimmt. Heute ist der 29. April. 

Also weiter. Ich halte mich wieder an die offizielle offline Beschilderung anstatt auf das Garmin zu hören. Aber eigentlich ist nicht viel Unterschied zwischen beiden Routen und die Straßen sind hier eh so leer, und ich finde zwischendurch mal einen Dorfdurchfahrt ganz interessant. So zum Kucken, wie die Leute hier leben, außer, dass man nicht viele Leute sieht. 

Auf der Brücke über den Peenestrom weht es mich fast um und auch im anschließenden Naturschutzgebiet bläst es heftig von der Seite. Ich ziehe die Kapuze meiner Jacke unter den Helm, damit die Ohren etwas geschützt sind. Es geht langsam voran, aber es gibt auch viel zu sehen. Wasservögel und Vögel am Wasser. Und blauer Himmel und noch blaueres Wasser. Das ist der Norden, den ich liebe. 

Anklam überrascht mit einem riesigen Marktplatz und einer wuchtigen Kirche. Und im örtlichen Eiscafé sitzt Wolfgang beim Kaffee. Er ist allerdings schon fast fertig und macht sich dann auch bald wieder auf. Ich genieße einen großen Eisbecher und wünsche mir eigentlich eine Wärmflasche. 

Zwischen Anklam und Ueckermünde wird es nochmal richtig schön. Der Anklamer Stadtbruch ist ein besonderes Erlebnis. Die Sonne steht tief und taucht alles in ein wunderbares Licht. Der Wind bläst alles sauber. Ich bin allein in der großen Landschaft. Ich muss oft anhalten, weil es so schön ist, und weil mir das Sitzfleisch scheißwehtut. Aber bis Ueckermünde will ich es schaffen. Das heißt, ich muss, weil bis dahin nichts ist als Natur. Und es richtig kalt werden soll heute nacht. Also Zähne und Po zusammenkneifen und weiter. 

Ueckermünde ist noch so ein putziges Städtchen. Frisch angemalt und fein gemacht. Im Hotel stelle ich mein Rad in den Abstellraum und sehe Wolfgangs Rad. Da schau her, denk ich mir, da hat einer keine Lust im Freien zu frieren. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit setzte ich mich nach dem Duschen noch in die Stube unten und kurz danach taucht der Besitzer des Fahrrads auch schon auf. Wir rekapitulieren gemeinsam die vergangenen 500 Kilometer, die wir jedoch nicht gemeinsam gefahren sind. 

Strava-Track

Tag 6: Ueckermünde nach Stettin: 72 km

Heute sind es nur noch 70 Kilometer. Piece of cake sozusagen. Also erstmal gemütlich und gemeinsam frühstücken. Und dann doch alleine weiterfahren. Das funktioniert. 

Die Gegend kurz vor Polen ist noch ein bisschen leerer als der Rest des Bundeslandes. Aber ausgestattet mit Radwegen vom Allerfeinsten, alle wie frisch gebügelt. Mal im Wald an endlosen Blaubeerbüschen vorbei, mal übers Feld, leicht gewellt. Es flutscht. Der Grenzübergang nach Polen ist nochmal ein bisschen emotional. Anders emotional sind die etwa zehn Kilometer vor Stettin. Die sind nämlich auf normalen Straßen, die mit den Schlaglöchern drin und den Autos drauf. Eher nicht so schön. Zum allerersten Mal auf all meinen Radreisen fahre ich mit Kopfhörern und Musik auf den Ohren. Ich singe sogar zwischendurch mal mit. Laut und schräg. Es macht diese abtörnende Stadteinfahrt erträglich.

Dann kommt der Park Arkoński, das örtliche Naherholungsgebiet, noch etwa sechs Kilometer zum Ziel. Ich schlage mich ins Unterholz und wechsel in die Zivilklamotten. Kurz darauf ist Wolfgang auf einmal wieder da, so dass wir zu zweit den Weg beenden. Jemanden haben zum Mitfreuen, als wir endlich vor dem Hotel stehen, in dem das Zielbuch ausliegt. Wir blättern im Buch, schreiben uns selbst rein. Dann fahre ich zum Bahnhof, dem offiziellen Ende der Tour.

Und das war’s dann. Der HanseGravel 2019. Geschafft!

Ein recht unspektakuläres Ende. Zugegeben. Die emotionale Verdauungsarbeit beginnt erst Tage später und dauerte auch etwas länger. 

Übrigens: Der Starttermin für den HanseGravel 2020 steht schon. Und in meinem Kalender steht er auch schon – zur Sicherheit. 

Strava-Track

8 Gedanke zu “HanseGravel 2019”
  1. Hallo Alexandra,
    wow – hasr Du Radelmädchen getroffen – nur aus Ihrem posting hatte ich vom Hansegravel gehört. Respekt vor Deiner Leistung!
    Aber ich glaube für mich wär das nix. Städte auslassen ist auch nicht mein Ding. Also lieber etwas relaxter das Ganze. Mein Anyroad muß derwil als Stadtrad herhalten, da letzteres auf den Werkstatttermin wartet.
    Gruß
    Olaf

  2. Hallo Alexandra,

    ein richtig feiner Blogpost; auf diese Weise hab ich nun auch was von der 2. Hälfte der Strecke mitbekommen 🙂 16 % Steigung auf Usedom und soviel Kopfsteinpflaster zwischen Stralsund und Greifswald, damit hätte ich nicht gerechnet. Manchmal ist es auch ganz gut, nicht zu viel von einer Strecke zu wissen 😉

    Und ja, sehr schön, dass wir uns jetzt auch mal im realen Leben begegnet sind. Beim Durchschauen der Starterliste hatte ich schon gesehen, dass Du dabei sein wirst. Aber man weiß ja dann nie, ob sich auch wirklich über den Weg läuft. Jochen hab ich zum Beispiel nicht getroffen. Am Start war ich etwas zu spät, und selbst wenn ich ganz pünktlich gewesen wäre, hätte ich ihn nicht getroffen, da er ja früher gestartet ist.

    Und Deinen schönen Worten zu Europa kann ich nur beipflichten! Bis bald mal wieder auf der Strecke und hier in diesem Internet sowieso.

    Gruß
    ;-)oas

    1. Dankeschön, Joas. Wir sehen uns schon nochmal wieder. Nächstes Jahr in Hamburg z. B. 🙂

  3. Liebe Alexandra,
    wow!
    Wie „einfach“ und unaufgeregt diese tolle und beeindruckende Fahrt bei dir klingt. Du scheinst dir die Strecke wirklich gut und machbar eingeteilt zu haben. Hut ab! 😀
    Ich habe schon bei Takeshi und einigen von ihr verlinkten Blogs ein wenig reingelesen, aber noch interessanter ist der Bericht von jemanden den man (izumindest virtuell ein wenig) kennt! 🙂
    Ich gratuliere dir und wünsche dir gutes Nachverarbeiten und ebensolche Erholung! 🙂

    1. Hallo Doris, vielen Dank! Unaufgeregt war es ja auch, einfach eher nicht so. Aber vielleicht sollte ich doch ein bisschen mehr Dramatik reinbringen. Wenn schon nicht in die Fahrt, dann in den Bericht dazu 😜
      Nächstes Jahr dann.

  4. Du hast alles richtig gemacht und Dir genug Zeit genommen. Ich habe zu knapp kalkuliert und musste dann etwas abkürzen.
    Ich glaube die gereizte Dame in Bad Oldesloe habe ich zuvor auch schon getroffen. Da war sie allerdings nur motzig und hat noch nicht geschrien und fotografiert. Ein wenig übertrieben vielleicht, aber andererseits kann man sie auch ein bisschen verstehen.
    Jetzt, wo ich Deinen Bericht gelesen habe, habe ich erst erkannt, dass auch mir das Ende recht unspektakulär vorkam. Vermutlich wird kein Ende den intensiven Erlebnissen solch einer Tour gerecht. Außer vielleicht eine Einfahrt in ein voll besetztes Stadion.
    Viele Grüße aus Duisburg,
    Markus

    1. Hallo Markus, das habe ich schon bei vielen Reisen gelernt, die Erwartungen realistisch oder darunter anzusetzen. So ist alles darüber eine freudige Überraschung. Das mit dem Stadion wäre doch auch mal eine Idee für eine der nächsten Veranstaltung. Oder zumindest Blumenmädchen und Wimpelschwenker. Immerhin hat die Frau im Hotel „Wow, Welcome“ gesagt. Viele Grüße, Alexandra

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