Viel Grün um nichts

Ich bin jetzt fünfzig Jahre und vier Tage alt, und gestern tat ich etwas, was ich zuletzt mit zweiundzwanzig tat. Wenn ich neben alt auch weise geworden wäre, hätte ich es sein gelassen und wäre jetzt nicht so fertig.

Ich musste mal wieder nach Berlin, Sonntag Mittag ist der Termin um genau zu sein. Weil aber eine meiner zahlreichen Geburtstagsfeiern schon länger für Samstag geplant war, konnte ich also nicht schön gemütlich am Vortag anreisen.

Im Halbschlaf erscheinen UFOs und Fata Morgana (Fatae Morganae?)

Also warum nicht mit dem Nachtzug? Äh, zu teuer und nicht richtig praktisch. Nachtbus? Achja, Abfahrtzeiten hören sich gut an. Preis ist superniedrid, und außerdem bin ich doch schon mal zweimal quer durch die USA in Nachtbussen. Boston – San Francisco – New York. Damals, anno 89. Eine schöne Erinnerung. Nur wenig verklärt durch den Nebel der Zeit. Die acht Stunden München – Berlin sitze ich doch auf einer Pobacke ab.

So ähnlich kam es dann auch. Aber es war nicht schön, und jede Minute fehlenden Schlafs multipliziert sich mit den Jahren zum Quadrat. Irgendwie so, dass eine negative Zahl herauskommt, die sich ganz fies anfühlt, und zwar hauptsächlich am nächsten Tag.

Suche Bahn-Rad und finde Lidl. Wenigstens schön grün.

Dieser nächste Tag begann um dreiviertel Acht am ZOB irgendwo im Westen. Trotz kalt und müde halte ich an meinem Plan fest, per Leihrad nach Köpenick zu reisen. Dank Internet finde ich schnell ein Rad und direkt daneben auch eines, was fahrtüchtig ist, und los geht’s.

Und zwar die Einfallstraße von Kaisers und Königs gen Osten. Siegessäule, Brandenburger Tor, Alex, Schloss. Alles, was zu einer guten Stadtrundfahrt gehört. Auch für den Weg nach Köpenick raus hat komoot heute was neues parat. 26 Kilometer waren es, bis ich endlich meinen heißen Tee in der Köpenicker Altstadt in meinen klammen Händen halten kann.

Jetzt sitze ich in Zug heim. Voll und laut, aber allemal besser als eingeschlafene Extremitäten und Knoblauchdunstvergiftung im Bus. Ich werde jetzt demnächst lernen müssen, gewisse Aspekte meines Alters zu akzeptieren. Ich bin da zuversichtlich.

8 Gedanke zu “Von UFOs und Lidl Morganas”
  1. Liebe Andra,

    auch von mir nachträglich herzliche Glück- und auch sosnt die besten Wünsche von mir!

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich die Reise auch so angegangen wäre, wie du es gemacht hast. Vermutlich mit sehr ähnlichen Schlussfolgerungen …

    Denn es gilt: „Erfahrung“ heißt Raum für _neue_ Fehler! 😉

    1. Hallo Stephan, vielen Dank für die *wünsche! Schöne Weisheit, das mit der Erfahrung. Aber ist es nicht auch jeweils eine neue Erfahrung, einen Fehler zum dritten und vierten Mal zu machen? Das ist bestimmt immer anders und vielleicht gibt es Erfahrung für das fünfte Mal. Vielleicht aber auch nicht. Am besten ist es einfach, gar keine Fehler zu machen. Oder, wie man heute sagt: Alles richtig gemacht.
      Viele Grüße, Alexandra

  2. Liebe Alexandra,
    auch von mir nachträglich: Alles Gute zum runden Geburtstag!!! 😀
    Ich bin gerade auf der Suche nach einer günstigen (UND komfortablen) Reisemöglichkeit nach Köln für diesen Sommer… Die Busfahrten erscheinen mir nun plötzlich sehr viel weniger attraktiv! 😉

    1. Liebe Doris, danke. Busreisen kann bestimmt auch ein schönes Erlebnis sein. Wenn dein Po zum Sitz passt, zum Beispiel, ist schon viel gewonnen. Bei mir kommt noch dazu, dass ich geruchsempfindlich bin und deutsche Autobahnen nicht mag und auch sonst allerlei komische Verhaltens- und Denkweisen an den Tag lege, die ich mir nur mit dem Alter erklären kann 🙂

  3. LIebe Alexandra,
    herzlichen Glückwunsch noch nachträglich zum Geburtstag 🙂
    Ich finde ja. du hast dir einen seltsamen Wunsch erfüllt mit einer Stadtdurchfahrt von Berlin mit dem Fahrrad … 😀
    Aber wenn es dich glücklich macht, dann sei es dir vergönnt 🙂
    Liebe Grüße
    Helge

    1. Liebe Helge, da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Diese Stadtdurchfahrt war kein ausdrücklicher Geburtstagswunsch. Eher so ein „Wäre doch mal lustig, und Zeit hätte ich auch.“ Mehr so ein vom Typ Plan. Die zeitliche Nähe zum Geburtstag ist eher Zufall.

    1. Danke, Witzbold. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass die Halbzeit schon länger rum ist. Und jetzt sagst du, ich muss noch nachsitzen und das Stück noch tough. Das vertrage ich heute nicht. Aber trotzdem danke.

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