Starte mit Teil 1 der Reise.

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Das Wochenende in Nantes ist wie erwartet verregnet. Und wie erwartet schaffe ich es nicht, mir ein Mindestmaß an Sehenswürdigkeiten anzusehen. Auf diesen Radreisen habe ich keine, wirklich gar keine Lust auf Museen, Kirchen oder Stadtrundgänge. Und ich habe es geschafft, das zu akzeptieren. Ich komme also erst am Montag morgen aus meinem kleinen, warmen Hotelzimmer, bepacke mein Rad, das zwei Nächte in einem Käfig im nahen Parkhaus weggeschlossen war, und breche auf in den nächsten Teil der Reise. Vorher fahre ich aber dann doch noch pflichtschuldige kurz an der Kathedrale vorbei, und das Schloss sehe ich auch von außen, weil die Touristinfo mit meinem Stempel dort gegenüber liegt. Zwei Fliegen und so ….

Auf der Fahrt raus aus der Stadt treffe ich das Paar aus Australien mit ihren Brompton-Klapprädern wieder. Wir hatten auf einem der vergangenen Campingplatz Kontakt und uns dann immer mal kurz gesehen auf dem Weg nach Nantes. Weil jetzt alles andere komisch wäre, fahren wir ein Stück gemeinsam bis zur Fähre. Zum Glück haben die beiden genauso wenig Interesse an einer weiteren gemeinsamen Fahr wie ich, so dass wir uns nach der Überfahrt über die Loire herzlich aber bestimmt verabschieden. Meine Solo-Reisen sind solo und bleiben es auch.

Die Strecke führt jetzt geradewegs westwärts. Die Loire wird immer breiter. Es gibt Aussichtsplattformen, um die Industrie am anderen Ufer besser bestaunen zu können, und ich muss lachen. Die Carrelets, diese Fischerhütten auf Stelzen, erinnern mich an AT-AT Walkers, und ich muss schon wieder lachen. In der Ferne taucht die große Brücke von St.-Nazaire am Horizont auf, und ich freue mich noch mehr. Ich bin tatsächlich am Meer. Ich sehe diese Seeschlangen-Skulptur, die für mich untrennbar verbunden ist mit der Vélodyssée und dem, was ich sehen will: Meer. Wenn das kein Grund für gute Laune ist.

Und ab jetzt geht es wieder gen Süden. Im Gegensatz zur einsamen Bretagne steppt hier der Bär. Riesige Campingplätze, Campingdörfer eher, touristische Infrastruktur mit wenig Wildnis dazwischen. Der Track führt viel durch besiedeltes Gebiet. Oft auf baulich getrennten Radwegen oder Strandpromenaden. Von der Streckenführung her schon OK, aber jetzt hoppel ich halt nicht mehr über Wurzeln sondern wieder über Bordsteine. Egal. Ist halt jetzt so. Dafür sind die Campingplätze mehr auf uns Radelnde eingestellt. Es gibt ein Velo-Areal, meist in der Mitte irgendwo, wo garantiert kein Wohnmobil mehr hinpasst, dafür aber oft mit Sitzgelegenheiten und Strom. Letzteres ist wirklich hilfreich. Ich kann zwar mein Handy während der Fahrt über den Dynamo laden, es ist aber abends auch flott wieder leer und anstatt dann eine Stunde im Sanitärblock bei den Steckdosen herumzustehen, kann man hier wenigstens sitzen. Weil ich schon ahnte, dass Strom ein rares Gut ist, habe ich tatsächlich nur das Handy, das Navi (musste insgesamt nur zwei Mal aufgeladen werden) und eine fette Powerbank dabei. Hat gereicht.

Der ausgeschilderte Weg führt traumhaft schön an der Küste entlang, die mal mit krassen Felsformationen, mal mit endlosen breiten Stränden überrascht. Der Wind bläst aus der richtigen Richtung, die Temperaturen sind mild und der Himmel immer öfter blau. Ich trudel vor mich hin, habe schon lange akzeptiert, dass ich richtig langsam bin auf dieser Reise, und genieße die Ausblicke, die Pausen mit Trauben, Ziegenkäse und dunklem Baguette und Haribo Orangina zum Nachtisch auf der Strandpromenade.

In Saint Jean de Monts bereiten sie den Ort gerade für einen Triathlon am folgenden Wochenende vor. Ich überlege kurz, ob mich noch schnell anmelden soll. Ha, Spaß. Ich habe ja gar keine Zeit, ich will Fahrrad fahren.

Natürlich geht der Weg nicht nur an der Küste entlang. Wir queren (eigentlich kreuzen und queren) durch Salzwiesen, die von Kanälen durchzogen sind, so dass ein gerader Weg wohl schwierig zu realisieren war. Durch die kreative Wegführung habe ich an dem Tag den Wind aus allen Richtungen, was besonders auffällt, weil es ein richtig starker Wind ist. Bei so steifen Brisen finde ich es immer so befriedigend, sich erst gegen den Seitenwind zu stemmen mit viel Brausen in den Ohren, und dann, mit einem kleinem Schwenker in die richtige Richtung ist es auf einmal still, das Treten geht einfach und der Wind schiebt sanft aber merklich von hinten. So ein Tag ist das in diesen Salzwiesen nahe Talmont-Saint Hilaire.

Und irgendwann bin ich in Rochefort. Der örtliche Campingplatz bietet Zwei-Personen-Zelte mit Betten und Steckdose an und ich buche gleich für zwei Nächte. Am ersten Abend gönne ich mir eine Pizza vom Food Truck und komme zu der Erkenntnis, dass eine Ziegenkäse-Honig-Pizza zwar sehr lecker ist aber nicht gut mit der Hand zu essen ist, jedenfalls nicht ohne Vollwäsche danach. Am nächsten Tag spaziere ich in die Stadt, weil ich mich um Essen und einen Stempel in meinem Passeport kümmern muss, und so kommt es, dass ich doch fast sowas wie einen Stadtrundgang mache – am Ende meiner zweiten Woche auf der Vélodyssée mit unwirklich breiten Stränden, weißen Dörfern, riesigen Campingplätzen und blauem Himmel.

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