Was bisher geschah: Woche 1 und Woche 2.

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Der Rest Day in Rochefort im Luxuszelt mit Bett und Strom hat gut getan. Ich fühle mich wieder voll aufgeladen, wie meine Powerbank auch. Und so machen wir uns auf in den dritten und letzten Abschnitt unserer Reise. Es ist Dienstag, Tag Siebzehn. Am Samstag will ich in Bordeaux sein. Ich habe dort ein Hotelzimmer in der Nähe des Bahnhofs gebucht, um am Sonntag den Zug nach Paris ohne Stress zu erreichen. Bis Bordeaux sind es nur noch etwa zweihundert Kilometer. Ein Klacks sozusagen.

Erstes Highlight dieses Abschnitts ist die Schwebebrücke über die Charente. Erinnert ein bisschen an eine Schiffsschaukel, nur halt in riesig und ohne Überschlagmöglichkeit. Leute, die Schleusentreppen und Schiffshebewerke interessant finden, mögen auch Schwebebrücken.

Völlig entschleunigt schweben das Rad und ich also über die Charente, in Abweichung von der regulären Route. Macht allerdings nichts, denn auf der anderen Seite weisen die Schilder den Weg zum richtigen Weg. Heute ist Feuchtgebiet angesagt: Der Track führt durch den Marais de Brouage, einem faszinierendes Sumpfgebiet an der Atlantikküste Frankreichs. Dieses einzigartige Ökosystem ist geprägt von Salzwiesen, Schilfrohrfeldern und zahlreichen Wasserflächen. (Danke ChatGPT, ich hätte es nicht besser ausdrücken können.) Nach dem Sumpf kommt viel Wald, auch ein geschütztes Stück Natur, aber nicht so mein Ding, weil man vor lauter Bäumen nichts von der Landschaft sieht. Am Ende dieses Tages komme ich nochmal etwas in die Bredouille: Ich finde keinen Campingplatz. Zelte werden nicht mehr aufgenommen. What? Ich meine Quoi? Ja, seit dem 15. September ist vieles anders, es schließen viele der privaten Campingplätze. Mist, das trifft mich unvorbereitet. Ich werde noch zu zwei drei anderen Plätzen geschickt, aber überall das selbe, ganz zu oder nur für Wohnmobile oder diese Plastikhäuschen. Diese Planungspanne beschert mir eine Tageetappe von 82 Kilometern, 20 davon umsonst geradelt, und endet mit einem hektisch gebuchten Hotelzimmer in Royan. Ich erreiche das Hotel um zehn vor acht. Um acht macht die Rezeption zu. Puh.

An dem Abend widme ich mich in Ruhe der Planung, damit mir sowas nicht nochmal passiert. Ich lerne, dass die Gemeindecampingplätze (Camping Municipal) auf der Route durchweg bis Ende Oktober aufhaben. Es gibt halt nur nicht so viele von denen, was die Länge der nächsten Etappen definiert.

Der nächste Tag ist genau aus diesem Grund ein kurzer. Zunächst besorge ich mir meinen Stempel, ein Frühstück und gondel zum Fährhafen und bin rechtzeitig an der Fähre über die Gironde. Die fährt nämlich nur noch ein paar mal am Tag (seit dem 15. September), so dass es sich lohnt pünktlich zu sein.

Inzwischen bin ich nach der Bretagne und der Vendée in meiner dritten französischen Region angekommen: Nouvelle-Aquitaine. Und das hört sich in meinen Ohren schon sehr nach Südfrankreich an. Genauso wie „das Medoc“, durch das ich die nächsten zwei Tage reisen werde. Vom Weinanbau ist auf dieser Seite der Halbinsel wenig zu sehen. Hier ist das vorherrschende Thema Dünen und Surfen. Die Dünen sind sehr hoch und blockieren meist den Blick aufs Wasser, und bescheren mir ein paar mehr Höhenmeter als mir lieb ist. Ein ständiges Auf und Ab, das ich stoisch wegtrete. Mein liebes Rad und ich können inzwischen kurze Steigungen von elf Prozent fahren und dabei noch den Tacho fotografieren ohne umzufallen. Neues Level freigeschaltet!

Die Route führt viele Kilometer geradeaus und an einer für den Autoverkehr gesperrten Straße entlang. Es ist wirklich einsam. Viel Sand, Pinien und angenehm warm. Das sind tatsächlich zwei Wohlfühltage. Am vorletzten Tag verabschiede ich mich nochmal offiziell vom Atlantik, mein Weg führt mich jetzt noch kurz ein bisschen landeinwärts, es geht östlich um das Becken von Arcachon. Ziemlich schnell wird es wieder grüner. Eichenwälder statt Pinien und der Boden ist nicht mehr nur Sand.

Und auf einmal bin ich wieder auf so einem ehemaligen Bahndamm mit ehemaligen Bahnhöfen an der Strecke. So wie es anfing vor zwanzig Tagen oben in der Bretagne, mehr als tausend Kilometer weiter nördlich.

Ich beende meine Vélodyssée am Bahnhof von Biganos. Die dreißig Kilometer bis Bordeaux mache ich mit dem Zug. Ich will mir meine schönen Landschaftradelerinnerungen nicht durch potentiell blöde Großstadtradelerinnerungen kaputt machen lassen. Fahrrad im TER-Regionalzug ist seit dem 15. September nicht mehr reservierungspflichtig und sowieso kostenfrei in Nouvelle-Aquitaine, also super entspannt. Jetzt kommen nur noch zwei Tage Rückreise, die mich aber auch nicht schrecken. Alles schon lange geplant und gebucht: Drei Stunden im TGV nach Paris, dort wieder im selben Hotel (weil ich weiß, dass ich dort mein Rad gut unterbringen kann, und weil es direkt neben dem Busbahnhof ist), und am nächsten Tag wieder die zwölf Stunden im Flixbus. Fertig.

Dies war mein Sommer auf dem Eurovelo 1 in Frankreich. Eine Reise mit folgenden Erkenntnissen:

  • Radfahren in Frankreich ist ein Traum. Punkt.
  • Auch mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von unter 15 km/h kommt man ziemlich weit.
  • Reisen mit Zelt ist günstig und unkompliziert, aber leider auch ziemlich unbequem.
  • Ein gutes Rad, was nicht mal einen Platten hat, ist dem Reiseerlebnis zuträglich.
  • Ich hatte kaum überflüssigen Kram dabei. Eigentlich nur das Werkstattzeug (s.o.), die Regenhose und Gamaschen, das Erste-Hilfe-Päckchen und die Mini-Bluetooth-Tastatur für das tägliche Bloggen.
  • Alleinreisen tut mir gut, verbraucht aber auch ziemlich viel Datenvolumen.
  • Den Pamir-Highway werde ich in diesem Leben nicht mehr fahren, aber das war sicher auch nicht meine letzte Radreise.
Die gesamte Strecke

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