Bank bei Freising

Der Sommer neigt sich jetzt wirklich dem Ende entgegen. Zeit wird’s für eine letzte große Ausfahrt. Das Wochenende habe ich frei, also suche ich mir einen schönen Weg zusammen. Nach Landshut wollte ich schon lange mal, Niederbayern finde ich schön. Also abgemacht. Samstag schnall ich meine Tasche ans Rad, zieh mich warm an und radel los in den Nebel.

Herbst an der Isar
Herbst an der Isar

Ich schleiche mich hintenrum zur Isar und treffe sie dank meines tollen Orientierungssinns erst in Ismaning. Ab hier also Isarradweg. Der Weg ist nicht asphaltiert und führt durch den Wald. Das bedeutet um diese Jahreszeit ein Haufen Vertrauen, denn wer weiß denn schon, was unter der dichten Schicht Blätter ist. Könnte ja ein Krater versteckt sein. Ich lese den Weg wie so ein Winnetou und fahre nur da, wo schon Spuren zu sehen sind. So komme ich ganz gut voran und akkurat bei Kilometer vierzig in Freising kommt die Sonne raus. Na also, geht doch. Ab jetzt wird’s toll.  Und ab jetzt befahre ich mir unbekanntes Terrain.

Türme des Münster zu Moosburg/Isar
Türme des Münster zu Moosburg/Isar

In Moosburg verlasse ich die Isar, um mich mit Bargeld einzudecken. Mit nur zweifuffzig in der Tasche hatte ich doch nicht so ein gutes Gefühl. Und natürlich finde ich den Weg nicht wieder. Egal, fahre ich halt nach Sonnenstand und folge anderen Radlern. Vorteil: Ich werde in eine wunderschöne Auenlandschaft geführt mit launigen Pfaden. Nachteil: Am Ende stehe ich eingezwickt von Amper und Isar und muss eine Treppe hoch.

Größte Backsteintürme sieht man auch von weitem: Landshut an der Isar.
Größte Backsteintürme sieht man auch von weitem: Landshut an der Isar.

Als ich endlich in Landshut ankomme, ist es schon halb drei. Nicht spät eigentlich, aber um diese Jahreszeit geht die Sonne demnächst unter. Jetzt muss ich mich um ein Bett kümmern. Plan war eigentlich noch weiter nach Dingolfing, der nächsten Stadt an der Isar, zu fahren. Aber dort haben sie kein Bett für mich. Jedenfalls nicht in dem einen Bett&Bike-Hotel, das ich mir ausgesucht hatte.

Also umplanen:  Im Schlosshotel Gerzen an der Vils haben sie ein Bett für mich frei. Ich freue mich und ich freue mich auch, dass ich schon die Ausschilderung für den Isar-Vils-Radweg gesehen habe. Das erleichtert vieles. Den höchsten Backsteinkirchturm der Welt schaue ich mir von Weitem an und verzichte ansonsten auf eine Stadtbesichtigung. Den Weg in Richtung Vils finde ich anstrengend. Ich bin schon ganz schön fertig und diese blöden kleinen Hügel schaffen mich. Die letzten zehn Kilometer sind wieder eben an der Kleinen Vils entlang. Ich schalte das Hirn aus und trete nur noch.

Kurz nach Sonnenuntergang fahr ich in den Schlosshof ein und werde auch gleich mit Namen vom Schlossherrn begrüßt. Hach, freu ich mich da zu sein. Duschen und ein Nickerchen, bevor die Küche aufmacht und ich meine Leistung mit einem unglaublich guten Krustenbraten zelebriere. Dazu ein Bier und zum Abschluss einen Marillenschnaps. Perfekt. Das Betthupferl besorge ich mir auf dem Marktplatz, wo ich einer Horde Halloweenkindern ein Stückchen Schokolade abpresse.

Am nächsten Morgen bin ich schon kurz nach neun wieder im Sattel. Die Sonne scheint heute so stark, dass ich nach ein wenigen Kilometern ein paar Schichten ausziehen muss. Jetzt reicht das langärmelige Merinoshirt mit Windweste und Dreiviertelhose.

Hügelland in Altbayern
Hügelland in Altbayern

Hinter Vilsbiburg verliere ich den Vilstalradweg und komme ganz schlimm von der Ideallinie ab. Und das ist wirklich anstrengend, denn das Land hier ist recht hügelig. Ich stress mich aber nicht und akzeptiere einen nicht so tollen Kilometerschnitt. Wurscht. Ich bin ja nicht unterwegs, um Rekorde zu fahren. Ich will sehen, wie gut ich hundert Kilometer reisen kann. Das ist in etwa die Etappenlänge, die ich mir für die Große Tour vorgenommen habe. Fazit schon jetzt: Das ist realistisch, zumal ich im Mai/Juni noch ein paar mehr Stunden Tageslicht habe und auch mal ein größeres Päuschen einlegen könnte.

In Velden finde ich die Vils wieder und hier kommt mir einiges bekannt vor von einem Ausflug vor einem Jahr.  Ich trete so vor mich hin, freue mich über Altweibersommerfäden, die einfach so in der Luft fliegen und sich um mein Rad weben. Genieße die leeren Sträßchen, auf denen nur ab und an ein wildgewordener Niederbayer mit Hundertachzig in seinem alten BMW an mir vorbeirast. Die meisten verbringen den Tag ruhig im Kreise der Familie und auf dem Friedhof. Immerhin ist Allerheiligen. Die Felder sind auch schon fast alle aufgeräumt und mit einer dicken Odelschicht für den Winter präpariert. Lecker. Irgendwann riecht man es nicht mehr. Der Weg ist gut ausgeschildert und ich muss mich nicht kümmern.

Kurz vor Erding (=S-Bahn-Bereich) fangen meine Handgelenke an zu schmerzen. Der erste Schmerz auf dieser Reise übrigens. Und kurz vor Erding werde ich wieder von der Realität eingeholt. Bisher habe ich nur auf Radwegschilder und lustige Ortsnamen geachtet. Jetzt sehe ich auf einmal Schilder, die in fünf oder sechs Sprachen, darunter arabisch, den Weg Richtung Stadt und Bahnhof weisen. Das sind gut und gerne fünf Kilometer. Fährt da kein Bus vom Flüchtlingsheim?

Die letzten dreißig Kilometer sind mein Home Turf. Hier kenne ich mich aus und nehme den kürzesten Weg, denn es reicht mir langsam. Die Handgelenke tun jetzt ernsthaft weh und ich greife alle paar Minuten um. Die Sonne geht schon wieder unter und es wird auch wieder kalt. Meine Garmin zeigt mir schon wieder über hundert Kilometer an. Schick. 210 Kilometer an einem Wochenende. Passt!

 


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5 Gedanke zu “Sommerabschlussfahrt”
  1. Liebe Alexandra,
    wow, 210 km an einem Wochenende, das ist beachtlich. Da warst du richtig fleißig. Mir würde da sicherlich mehr als nur die Hände weh tun 🙂
    Mit dem Wetter hattest du ja richtig Glück nochmal. Wahnsinn was die Sonne so aus einem Herbsttag macht
    Wirklich sehr schön 🙂
    Liebe Grüße
    Helge

    1. Ach komm, Helge, einer Ironfrau können doch hundert Kilometer am Tag nichts antun. Das kannst du mir nicht erzählen. 🙂
      Heute ist auch schon wieder richtig warmes Wetter. Man müsste eigentlich raus, aber die Arbeit … Insofern find ich den Klimawandeln schon irgendwie gut.
      Viele Grüße,
      Alexandra

  2. Liebe Alexandra,
    ein super Ausflug! Da hast du das spätsommerliche Herbstwetter ja noch wunderbar ausnutzen können! 🙂
    Am allerbesten gefällt mir allerdings, dass du den Kindern Halloween-Schoggi abgenommen hast! 😀

    1. Liebe Doris, diese Kinder hatten *Tonnen* von Süßkram. Trotzdem haben sie getan, als wollte ich ihr letztes Hemd. Wird Zeit, dass demnächst St. Martin ist und das Teilen in der Schule mal wieder thematisiert wird. 🙂
      Viele Grüße,
      Alexandra

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