Der Bruder hat seit August nun auch ein Rennrad und seine Liebe zu langen und bergigen Strecken entdeckt. Bisher haben wir es nicht geschafft, einmal zusammen loszuziehen. Nachdem das Wetter für dieses Wochenende aber so grandios angesagt war, blieb uns eigentlich keine andere Wahl. Ich habe ihm, seiner Ortskenntnis und komoot die Streckenplanung überlassen, und nur um keine Harakiri-Tour gebeten.
Treffpunkt in Harthausen unterm Maibaum. Ich verfahre mich mal wieder in diesem Stadtteil, den ich eh nicht mag (siehe gestern) und habe schon fast zwanzig Kilometer auf dem Tacho, als ich endlich ankomme.
Und los geht’s mit ordentlichem Tempo, ich im Windschatten, aber ich fürchte, dass ich das so nicht lange durchhalten werde. Zum Glück wird es dann ein wenig gemütlicher und wir haben manchmal auch Strecken, in denen wir nebeneinander fahren und ratschen. Wir müssen ja keine Rekorde aufstellen.
Der Weg führt auf kleinen und kleinsten Wegen durch die östlichen Landkreise. Wo ich eh schon mal hinwollte, nämlich da, wo das Hügelland anfängt. Wegen meinem Vorsatz für dieses Jahr, mehr Höhenmeter zu meistern. Erstmal kamen aber viele Tiefenmeter, eine schöne Abfahrt, übersichtlich, ohne viele Kurven. Spaß!Aber natürlich, wo viel Abfahrt ist auch viel Auffahrt. Der Bruder bestätigt das und versichert, dass es auch keinen anderen Weg gibt, um den Berg herum oder so.Wir trudeln also weiter durch die Landschaft, links die Bergkette im Föhnpanorama, vorbei an einem idyllischen Biergarten. Der Bruder wird langsamer, ich denk schon, er schlägt ein Päuschen vor, aber er meint nur: „Jetzt Kette links.“ und deutet auf den Anstieg. Puh. Echt fies steil. Ich schaffe es nicht und muss auf halbem Weg anhalten. Mein Puls ist gefühlt vierstellig. Dann geht es weiter und ich schaffe es dann doch noch.

Der Bruder versichert jetzt, dass es das im Großen und Ganzen war mit den Bergen, alles was jetzt noch komme, sei zu vernachlässigen. Wir strampeln also weiter durch die Sonne, vorbei an Pferdekoppeln, Wirtschaften voll mit Kirchweih-Gästen, und einem blühenden Rapsfeld. Moment … Raps, Ende Oktober? Der Klimawandel macht echt komische Sachen. (Später klärt uns die Schwägerin auf und Wikipedia bestätigt das: Raps im Herbst ist gelber Senf.)20141019_121200Dann noch ein weiterer Anstieg, den ich aber entschärfe, indem ich erstmal anhalten und ein Foto vom Panorama machen muss. Im Vermeiden war ich schon immer gut. Der Weiler oben auf der Anhöhe trägt den großartigen Namen Münster. Ich sehe aber weit und breit kein Münster, die Kirche ist auch eher ein Kirchlein, und frage mich, wie die wohl zu diesem Namen kommen. Muss ich mal recherchieren.

Dann ruft der Bruder nach hinten: Acht oder Achtzehn? Ich schau auf den Tacho und denke, achtzehn gehen noch bis zum Apfelkuchen. Wir biegen also entsprechend gen Süden ab. Süden bedeutet hierzulande aber bergauf. Diese fiese latente Steigung, die ich schon beschrieben habe. Macht mir aber diesmal nichts aus, denn weiß ich ja, dass es auch wieder bergab geht. Leider kann ich die „Abfahrt“ aber nicht so genießen, mir tut der rechte Fuß weh. Und zwar höllisch. Erst waren es nur in den Zehen, dann die Sohle und dann irgendwie alles. Und dann auch der andere. Ich mache die Schuhe lockerer, das hilft ein paar Minuten. Dann hole ich die Schuhe aus den Klickies und variiere die Position. Das bringt mich die letzten zehn Kilometer zum Apfelkuchen. Sobald ich die Schuhe aushabe, ist es wieder gut. Doch die Durchblutung?
Beim Apfelkuchen, den Schwägerin und Nichten gebacken habe, in der Sonne, Füße wegstrecken und ausruhen. Ist das schön! Und siebzig Kilometer auf dem Tacho. Und noch zwanzig heimwärts. Das schaff ich auch noch. Geht ja nur bergab, quasi nur rollen lassen, red ich mir ein.

Aber so war es dann auch. Mit viel Tempo gen München die Schotterebene runter an einem warmen Spätsommer-Spätnachmittag. Ich schau auf den Tacho und denke, Hey, die Hundert sind nicht mehr weit! Die Sonne scheint noch, die Füße brennen noch nicht, also noch einen Schlenker. Leider hat mir ein fieser Föhnwind auf den letzten Kilometern die 24 vor dem Durchschnittstempo verblasen, aber egal. Am Ende waren es 103k in 4:19 (netto) mit 430 Hm! Jippie, Jahresziel erreicht. Jetzt kann der Winter kommen.

Daheim bin ich dann doch ganz schön platt. Mann und Sohn sind noch in den Bergen bzw. im Stau auf der Autobahn, ich kann also noch nett in der Badewanne liegen, meine harten Oberschenkel- und Schultermuskeln einweichen und mich freuen. Hundert. Wow.

10 Gedanke zu “Hundert und Münster”
  1. Boah, Respekt! So weit würde ich es nicht schaffen – vorher macht mein Hintern einen Generalstreik. Das weiß ich, weil ich vorletztes Jahr mal 80km geschafft habe. Aber nicht am Stück, sondern über einen Tag verteilt. Nee, dann lieber laufen. Natürlich keine hundert Kilometer am Stück 😉

    1. Hallo Eddie, ich mag jetzt gar nicht alles aufzählen, was mir nach ein paar wenigen Kilometern laufen weh tut. Deshalb hast du auch meinen Respekt ob deiner Laufleistung. So hat jeder was und kann jeder was 🙂

  2. Da siehste mal, wie schnell das mit der dreistelligen KM-Zahl geht … aber das mit Füßen und Schuhen klingt nicht gut, da musst Du nochmal ran. Ich nehme ja prinzipiell nur bequeme MTB-Schuhe auf dem Renner.

    Viele Grüße aus Würzburg!

    1. Hallo Jochen, ja,wer hätte das gedacht (ich jedenfalls nicht).
      Meine Schuhe sind eigentlich auch der bequemeren Art und nicht zu hart und eng. Die Frage ist nur, wie kann ich im Schuhladen testen, ob Schuhe ab drei Stunden auf dem Rad weh tun? Schwierig.

      Viele Grüße,
      Alexandra

  3. Wow! Und gleich nochmal Wow! Das nenne ich aber mal fit im Herbst.
    Das ist ne ganz schöne Strecke.
    Gratuliere. Da hast du dir vor dem Winter noch die Latte ziemlich hoch gelegt 🙂
    Dann kann nächstes Jahr ja kommen.
    Toller Bericht.
    Liebe Grüße
    Helge

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