Noch ein paar Tage Urlaub übrig, der Sohn hat noch Sommerferien, was fällt mir da sofort ein: Eine Radtour. Der Sohn ist aus Reflex erstmal dagegen, aber mit ein paar Überredungstricks gelingt es ihn zu überzeugen. Start soll Ingolstadt sein, weil das das Ende der letzten Tour war, Ziel ist die Oma in der Rhön. Die gesamte Strecke werden wir in den drei möglichen Tagen nicht schaffen, daher plane ich so, dass wir in der Nähe von Bahnstrecken bleiben.
Am Ende ist es so, dass wir am Montag am Nachmittag in Nürnberg starten. Das Loch zwischen Ingolstadt und Nürnberg müssen wir halt wann anders füllen.
Tag 1: Nürnberg – Erlangen – Forchheim (37 km)
Nürnberg stresst uns gleich mal ordentlich, und zwar nicht nur der Burgberg sondern auch der Stadtverkehr. Der Sohn wird von einem Laster angehupt und verliert verständlicherweise gleich mal die Fassung. Der Arme. Es dauert ein bisschen bis er wieder fahrfähig ist und noch ein bisschen mehr bis wir endlich aus diesem Verkehr raus sind. Zum Glück führt uns der Weg bald einen breiten neuen Radweg, der uns geschützt bis Erlangen bringt. Aber schön ist was anderes. Direkt an einer vierspurigen Bundesstraße entlang, viel Rad(gegen)verkehr. Insgesamt ein stressiger Beginn. In Erlangen gönnen wir uns die erste Pause. Der Sohn hat ein neues Smartphone/Kamera und muss immer mal wieder Fotos machen. Aus Erlangen raus wird es langsam besser, noch ein Stückchen an der Autobahn entlang und dann wird es tatsächlich ruhig. Am Main-Donau-Kanal entlang, über die Regnitz und nach Forchheim rein. Forchheim ist wunderschön und das schönste ist das Kopfsteinpflaster in der Innenstadt. Es sieht aus wie ein Killerpflaster lässt sich aber überraschend gut fahren, überhaupt nicht holprig (könnte man das nicht allen anderen hübschen alten Innenstädten verkaufen?). Der Abend klingt aus auf dem Marktplatz mit einem spitzen Burger und selbstgemachtem Eistee. Passt.
Tag 2: Forchheim – Bamberg – Haßfurt (61 km)
Es gelingt mir tatsächlich, dass wir schon um halb zehn im Sattel sitzen. Ganz hinten in meinem Kopf habe ich als Ziel Schweinfurt, was gut achtzig Kilometer wären. Der Sohn ist skeptisch. Wir fahren einfach mal los. Bis Bamberg ist es toll: Am Kanal entlang, schön ruhig, gut zu fahren, noch nicht zu heiß. Der Sohn gibt wieder den Navigator und macht das wirklich gut. Kurz vor Bamberg sehen wir das Schild zu Fähre von Pettstadt. Der Sohn drängt auf den Umweg. Ich wundere mich, aber dann nicht mehr als ich sein langes Gesicht sehe beim Anblick der Fähre. Die bringt einen nämlich nur von einem Flussufer zum anderen und nicht, wie er annahm, bis Bamberg oder darüber hinaus. Ich glaube, er hatte noch von den Schwedenfähren im Kieler Hafen ein anderes Bild im Kopf. Also doch weiterradeln. Jetzt auf der „falschen“ Seite der Regnitz werden wir in Bamberg vor die Wahl gestellt: 60 Stufen zum Stephansberg hoch oder nochmal Fähre fahren. Wir sind uns einig. Keine Diskussion nötig.
In Bamberg gibt’s was leckeres zu essen und nach einer klitzekleinen Stadtverfahrung sind wir auch schon am Mainradweg. Inzwischen ist es wirklich heiß geworden. Das Windchen vom Wasser hilft nicht viel. Der Sohn zeigt jetzt schon Ermüdungserscheinungen, rote Handflächen und Poweh. Ich verspreche, dass Schweinfurt heute nicht mehr unser Ziel sein wird, und dass wir vorher ein Bett finden. Weil uns die Hitze beide ganz schön nervt, googlen wir nach Bademöglichkeiten in der Nähe. Diesmal dachten wir nämlich an Badesachen. Schade, die letzte Badestelle im Main liegt hinter uns. Keine Option also. Der nächste See ist der Baggersee in Sand am Main. Noch acht Kilometer. Kurz: Wir erreichen den See, kühlen uns auch kurz darin ab, aber ein Genuss war das nicht, dazu war das Wasser zu schmutzig und das Kieswerk am anderen Ende zu laut. Und es hing so ein komischer Geruch in der Luft. Aber egal, wir sind wenigstens soweit wieder hergestellt, dass wir die restlichen zehn Kilometer oder so bis Haßfurt schaffen.
Tag 3: Haßfurt – Schweinfurt (22 km) – Würzburg (74km)
Plan für heute: Bis Schweinfurt mit dem Rad, dann mit dem Zug nach Bad Kissingen und von dort bis in die Rhön hoch. Wie gesagt, Plan. Das schöne an Plänen ist ja, dass man sie umwerfen kann.
Teil eins ziehen wir noch durch, und wie. Der Sohn scheint gedopt. Er legt ein Tempo vor, dass mir für den frühen Morgen und überhaupt zu ungemütlich ist. Weil auf dem Mainradweg nicht viel passieren kann und Verfahren auch nicht so leicht ist, lasse ich ihn ziehen. Am Ortsschild von Schweinfurt wartet er dann auf mich, total happy über seinen Schnitt von knapp 22 km/h. Und dann hält er mir noch einen Vortrag über wie schön Radfahren ist, aber nur wenn man den Weg noch nicht kennt und immer weiter fahren kann. Zur Schule radeln oder im heimatlichen Umland ist zu langweilig. Ich freue mich.
Dann formuliere ich meine Idee, die ich schon eine Weile denke: Wie wäre es, wenn die Mutter einfach weiter auf dem Mainradweg fährt und der Sohn allein in die Rhön abbiegt. Dreizehn Kilometer müsste er allein bewältigen. Navi lesen kann er ja. Zu meiner Riesenüberraschung sagt er ja. Um dann kurz darauf doch Muffensausen zu bekommen. Aber: Er organisiert, dass die Großeltern ihn abholen in Bad Kissingen und als ich ihn in Schweinfurt in den richtigen Zug gesetzt habe, darf ich allein weiterfahren. OK. So einfach ist das jetzt mit einem Teenager. Muss ich mich auch erst dran gewöhnen.
Den Mainradweg habe ich schnell wieder gefunden, alles super ausgeschildert. Jetzt zur Mittagszeit ist er auch schön leer. Die Rentnertrupps sind entweder schon am Ziel oder gerade am Essen. Ich möchte heute noch nach Würzburg und von da mit dem Zug heim. Mainradweg dachte ich, aber irgendwann sehe ich ein Schild nach Würzburg, dem ich folge. Der Weg geht weg vom Main, hinein ins tiefste unterfränkische Hinterland. Zwischen Werneck und Würzburg ist nichts außer leere Dörfer, und ich meine leere Dörfer. Inzwischen sind meine beiden Trinkflaschen nämlich fast leer und ich halte aktiv Ausschau nach Menschen, die ich um einen Tropfen Wasser anbetteln könnte. Nichts. Wo sind die alle? Zwischendurch twittere ich an den Fränkischen Tourismusverband, sie mögen doch mal über Trinkwasserbrunnen in den Dörfern nachdenken. Die Radwegführung ist auch nicht eben hilfreich, denn die leitet einen eher zu einer Wallfahrtskirche als durch ein Dorf mit Laden oder Tanke, was vielleicht auch daran liegt, dass ich tatsächlich auf dem Fränkischen Marienweg unterwegs bin.
Inzwischen weht auch noch ein richtig fieser Wind, der den nahen Wetterumschwung ankündigt, aus der Fahrtrichtung natürlich. Auf den baumlosen Höhen kann er sich auch so richtig austoben. Und endlichendlich in einem Dorf sitzt eine Frau mit ihrem Kind im Hof, und ich bekomme meine beiden Flaschen gefüllt. Und ich erfahre, dass Würzburg nun gar nicht mehr weit ist. Nur noch da im Bachgrund lang und über den Berg und schon da! Über den Berg schiebe ich, und auf der anderen Seite vom Berg freue ich mich über meine neuen Bremsen. Und dann bin ich tatsächlich da. Noch Zeit für ein Stück Zwetschgendatschi und kurz darauf sitze ich im Zug nach München. In der Zugtoilette versuche ich mir und meinen Mitreisenden einen Gefallen zu tun, und den gröbsten Kleb und Stink von mir zu waschen. Und weil ich fürchte, dass es nicht gut gelungen ist, bewege ich mich einfach so wenig wie möglich. Anschlusszug in Nürnberg wartet schon auf mich, die passende S-Bahn in München auch, und der Mann daheim auch. Fertig. Drei tolle Tage, mit Sohn, mit Fahrrad, mit Sonne und wieder einem Flussradweg zum Abhaken.
Liebe Alexandra,
ach Neid! Ich muss da mal bei dir in die Lehre gehen, wenn ich so lese, was du alles auf die Beine stellst. Und das Wetter war euch auch noch hold – herrlich!! 😀
Als bekennendes Radel-Regen-Weichei habe ich nämlich meine für dieses Wochenende geplante Tour abgesagt/verschoben. Regen während ich am Weg bin ist ja ok, aber (angesagter) Dauer-Starkregen, um loszufahren… nein danke! 😉
Hallo Doris, ach kein Neid, bitte. Solche Radtürchen sind echt keine Kunst. Man nehme: Zeit, ein Fahrrad, Gepäckstück für Zahnbürste und einen Satz Zivilklamotten, einen Radweg (ausgeschildert, weil vereinfacht die Navigation), Kreditkarte, und internetfähiges Mobilphone (oder genug Zuversicht, vor Ort ein Bett zu finden). Und los gehts. Achja, und einigermaßen Wetter. Bei Starkregen würde ich auch eher nicht losfahren (es sei denn es muss sein).