Der Mann und ich hatten ein gemeinsames Projekt für den Saisonbeginn: Der Velothon in Berlin. Ich hatte mich schon im Herbst für die Hundert-Kilometer-Strecke angemeldet und den Mann überredet, dass er auch. Hat er dann auch. Er ist ja seit letzem Herbst auch Rennradler und eine Rennerfahrung fehlte ihm noch. Verglichen mit dem letzten Jahr, in dem die Vorbereitung auf die Cyclassics ja ganz schön viel Raum einnahm, war es dieses Jahr erschreckend wenig bei mir: Im Winter nicht so oft gefahren, wie gut und möglich gewesen wäre, dann hatte ich diese Knieprobleme und überhaupt. Auf jeden Fall fand ich dann irgendwann, dass ich die Hundert nicht schaffen würde und habe (mal wieder) downgegraded. Sechzig bei dem geforderten Schnitt schaffe ich, da hatte ich keine Sorge. Trotzdem fehlte mir die Lust und die Vorfreude.
Wir haben dann trotzdem die Räder ins Auto und sind am Vaterdonnerstag Richtung Berlin los. Ohne Sohn. Also, wenn schon keine Rennvorfreude, dann wenigstens ein schönes langes Wochenende in Berlin mit Mann und Freunden.

Und das wurde es wirklich. Zum Tapern gibt es eine kleine Rundfahrt durch den Grunewald, über eine Kuhwiese und andere grüne Ecken, die einen vergessen lassen, dass Berlin ganz schön groß ist. Im Jagdschloss Grunewald lassen wir uns ausführlich von einem Paar das Für und Wider der Brompton-Bikes erklären.

Sie eine absolute Verfechterin/Liebhaberin; er dagegen etwas reservierter in seiner Begeisterung („Ich habe auch noch ein anderes Rad.“), aber auch auskunftsfreudig. Währenddessen erfreuen sich die Spatzen an unserer Rhabarbertorte.
Am Samstag holen wir die Startnummern, bummeln über die Messe und feuern die Jahrgänge 2008-2010 bei ihren Rennen an. Wusste gar nicht, dass es so kleine Rennräder gibt. Außerdem lassen wir uns von einem Paar das Für und Wider von Moulton-Rädern erklären.

Diesmal waren beide enthusiastisch und es gab eigentlich kein Wider. Die beiden fuhren auch die Sechziger-Runde mit ihren Moultons. Zur Erholung tingeln wir noch durch die Stadt. Der Mann bildet sich ein, noch Radschuhe zu brauchen. Es ist schwül, ich bin müde und nörgelig und prophezeie Schlimmes, wenn man mit neuem Material ein Rennen bestreitet.

Das perlt aber an ihm ab, und mit einer Rundfahrt über das Tempelhofer Feld später sind die Schuhe dann auch nicht mehr neu. So.
Renn-Sonntag morgen. Ich bin als erste dran. Die Sechziger starten sowas um acht rum. Zum Glück finde ich den Start am Potsdamer Platz ganz einfach. Nur einmal abbiegen von unserem Domizil. Schaffe ich. Ich starte wieder im Frauenblock. Letztes Jahr in Hamburg hatte ich ein Schwätzchen, was die Wartezeit verkürzt. Diesmal stehe ich da und habe Zeit zu denken. Gar nicht gut.

Aber dann geht es los. Ich versuche wieder, so wenig Leute wie möglich um mich zu haben. Ich habe wirklich Angst vor einem Sturz. Mit oder ohne mein Mittun. Die Vorstellung allein erschreckt mich. Deshalb fahre ich auch übervorsichtig. Irgendwann bei der Hälfte sehe ich ein Rückenschild mit einem außergewöhnlichen Namen auf einem pinken Bike. Lustig. Das ist genau die Frau, mit der ich in Hamburg vor dem Start geschwatzt hatte und auch ein paar Kilometer gefahren war. Die Welt ist klein. Wir reden ein bisschen hin und her durch den Grunewald und es ist wirklich nett. Am Grunewald-Turm geht es bergauf und ich muss sie ziehen lassen. Meine Laune ist trotzdem besser. Und noch besser, als ich bei der Versorgungsstation zwei Bananenstücke in den Hamsterbacken habe. Heute morgen war mir nicht so gut im Magen und so ganz ohne Frühstück kommt so ein Rennen doch nicht so gut.
Als es wieder in die Stadt zurück geht, genieße ich die Stadtrundfahrt. Der Kurs klappert wirklich alles ab, was man so sehen muss. Kanzleramt, Bundespräsidenten-Haus, Karl-Marx-Allee etc. (Reihenfolge ohne Gewähr). Unter den Linden ist Schluss. Ich angel mir meine Medaille, schütte mir viele Energiedrinks rein, checke kurz meine Zeit (langsamer als Hamburg, aber noch gut über der Mindestzeit) und sondiere den Weg Richtung Heimat.

Unerwartet komme ich am Start des Hundert-Kilometer-Rennens vorbei. Ich platziere mich strategisch günstig und melde dem Mann, wo er mal schauen soll. Tatsächlich winkt er mir im Vorbeisausen zu. Zu schnell zum Fotografieren.
Ich fahre in unser Apartment, dusche, packe das Auto und hocke mich zu den Freunden an den Frühstückstisch. Und zwischendurch checke ich immer mal wieder, wo der Mann schon ist. Wenn ich gut im Rechnen wäre, hätte ich schnell erkannt, dass er recht schnell ist. So muss ich aber warten, bis er im Ziel ist und ich sehe, dass er tatsächlich zehn Stundenkilometer im Schnitt schneller war als ich. Ich lobe ihn und bin sehr stolz. Gute Premiere.
Tja, und dann stürzen wir uns auf die Autobahn mit allen anderen und viele Stunden später kommen wir auch daheim an.