Seit mein Stahlrad und ich uns wieder angefreundet haben, cruisen wir öfters in gemütlicher Reisegeschwindigkeit zur Arbeit und zurück. Jeweils 11 km in einer guten halben Stunde. Da bleibt Zeit zu denken. Das fängt schon gleich nach der Abfahrt an: Mensch, ich wollte die Kette doch ölen. Wieder vergessen. Nach ein paar Ampeln, Kurven und der Unterführung, dann die Stelle an der die Garmin normalerweise den ersten Kilometer ansagt. In der Kurve vor dem beschrankten Bahnübergang: Schranke zu oder auf? Ich wette mit mir selbst.

Dann erreiche ich den Landschaftspark. Aufatmen. Erstmal keine Autos, Teerarbeiten auf der Straße und hoppelige Fahrradwege mehr. Ich mag den Park sehr gerne. Die weiten Flächen und die streng geometrischen Formen. Der Park scheidet die Geister, seit er 2005 als Bundesgartenschau vorgestellt wurde. Manche finden ihn langweilig, weil die langen Wege an Flugzeuglandebahnen erinnern.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Gelände mal ein Flughafen war und die Gartenarchitekten das nicht vergessen lassen wollten. Ich mag ihn aber und ich habe meine Lieblingsstellen, an denen ich regelmäßig denke: Hübsch. Dieser Pfad durch den Hain ist hübsch. Die Magerwiese, die mich an eine norddeutsche Heidelandschaft erinnert, ist hübsch. Der See, wenn er spiegelglatt daliegt, und die bunten Sonnenschirme, die seit der BuGa dort stehen, sind hübsch. Einfach hübsch. Ich könnte mir noch andere Adjektive ausdenken, aber hübsch fällt mir immer als erstes ein.
Morgens ist der Park meistens recht leer. Hauptsächlich RadfahrerInnen, die von A nach B wollen, und Hunde. Vor denen habe ich ja Respekt, besonders vor den ganz großen. Da denke ich: Hoffentlich hält der Hund die Spur und ich kann ihn überholen. Hoffentlich fühlt er sich nicht plötzlich in seiner Privatsphäre gestört, wenn ich zu nah vorbei fahre, und will mich mit einem Biss erziehen. Hoffentlich sammeln die Herrchen und Frauchen die Kacke auch ein. Lustig wie das Zamperl und die Dogge miteinander spielen. Was da wohl für eine Promenadenmischung rauskommen würde?
Dann ist der Park vorbei, ich biege durch das Dorf. Blöd, dass der Bioladen hier zu gemacht hat, der war echt praktisch gelegen. Wieder eine Überlandfahrt: Hmm, lecker, Erdbeerfeld. Könnten wir eigentlich am Wochenende mal zum Pflücken gehen und Marmelade kochen. Rechts hinterm Roggenfeld oder Dinkel? überholt mich die S-Bahn. Der Anstieg nach der Unterführung: Bestimmt zwanzig Höhenmeter. Manchmal muss ich runterschalten. Unvorstellbar, dass Leute 4000 schaffen, und auch noch Leute, die ich kenne. Respekt und Ehrfurcht. Dann kommt ein Stückchen Wald. Die Vögel und meine Kette zwitschern gegen den Lärm der Bahnstrecke und der Autobahn an. Heute Abend öle ich die Kette aber echt. Der Fahrradweg hat eine eigene kleine Brücke über die Autobahn. Sehr fürsorglich. Wieder ein bisschen Wald. Links Bäume, rechts Bäume und dahinter: Ach, ein Sportplatz.
Wohngebiet. Einfamilienhäuser mit gepflegten Gärten. In einem steht ein gemauerter Grillkamin mit scharlachroten Lettern: ALESSANDRO. Heißt der Besitzer so, oder der Kamin? Namen auf der Bürotasse finde ich sinnvoll, auch auf dem Fußballtrikot. Auf dem Auto kann ich es verstehen. Aber auf einem Kamin? Da besteht ja weniger die Gefahr der Verwechslung und des aus Versehen Mitnehmens. Hier bin ich noch zu keinem guten Schluss gekommen. Das letzte Stück, der Weg ist eingepfercht zwischen Schallschutzwand und Bäumen. Und dann bin ich schon da. Das ging ja wieder schnell. Und heute Abend der Bericht retour. Nein, war nur Spaß. Ich muss ja die Kette ölen.