Heute mal ein neues Format und damit der krönende Abschluss meiner Reise: Meine Freundin  Sabine, ihres Zeichens Reisejournalistin  und PR-Beraterin, wollte einiges über die Radtour wissen. Natürlich beantworte ich Ihre Fragen gerne, und wie sich zeigt, ergibt das Ganze nochmal eine schöne Zusammenfassung. 

Sabine: 1800 Kilometer in 21 Tagen: Hättest Du selbst gedacht, dass die Tour so umfangreich wird?

Alexandra: Ehrlich gesagt, hatte ich mehr geplant. In den sechs Monaten Planungsphase habe ich viele viele Stunden vor Google Maps gesessen und geplant. Ich hielt es für realistisch einen Schnitt von 19 km/h zu fahren und somit jeden Tag hundert oder mehr Kilometer abzufahren. Das hätte mich dann bis zurück nach Bayern, wenn nicht sogar bis heim gebracht. Die volle Ausbaustufe hätte 2.300 km gehabt. Leider war die Realität vor Ort so, dass ich meistens nur einen Schnitt von um die 16 km/h hatte. Es lag am Wetter, an den Wegen und an meiner Kondition. So habe ich mich relativ schnell vom Maximalkilometerziel verabschiedet.

Wie viele Kilometer hattest Du ursprünglich kalkuliert?

2.300 wäre die volle Runde gewesen: Bodensee-Nordsee-Hamburg-Elbe-Saale-München. Als Fallback hatte ich eine kürzere Runde ohne Nordseesichtung gedacht, die auf halber Höhe nach Osten kreuzt und auch in München endet. Die wäre 1.800 km gewesen.

Insbesondere der Einstieg mit seinem schlechten Wetter war ja sehr hart. Wie oft hast Du ans Umkehren gedacht?

Bodensee im Hintergrund
Bodensee im Hintergrund

Kein einziges Mal. Nicht ans Umkehren und auch nicht ans Aufhören. Höchstens mal ans Pausieren oder Abkürzen.
Der erste Tag war ja regentechnisch der GAU, und obwohl ich die meiste Zeit entlang der Bahnlinie am Bodensee fuhr und auch öfters Züge sah, die nach Schaffhausen, meinem Ziel an dem Tag, fuhren, kam mir kein einziges Mal der Gedanke, dort einzusteigen. Ich war auch viel zu nass und hätte nur den Zug eingesaut.

An drei anderen Tagen bin ich schon mal in den Zug gestiegen. Hauptsächlich, wenn ich eine Verabredung mit jemandem hatte und zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sein wollte. Und einmal bin ich Bötchen gefahren, auf dem Rhein.

Was war denn dann der schwärzeste Moment auf Deiner Tour?

Die schwärzesten Momente waren die Tage vor der Tour. Ich fühlte mich nicht genug trainiert, alles tat weh und mir war permanent schlecht. So richtig übel. Das änderte sich erst zur Mitte des ersten Tages, als die Übelkeit langsam in Hunger überging, der mit einer Banane und einem gekochten Ei verschwand. Ab da war es gut. Regen, Frieren und Poweh sind keine schwarzen Momente auf einer Radtour. Die gehören dazu.

Den schwärzesten Moment im wörtlichen Sinne hatte ich kurz vor Magdeburg. Der Himmel in dieser Richtung war schon sehr beeindruckend schwarz, und das am Mittag.

Und natürlich möchte ich auch wissen, welcher der schönste Moment auf Deiner Tour war?

Da gab es mehrere: Am Ende des ersten Tages in der Jugendherberge am Rheinfall anzukommen, war definitv ein schöner Moment. Die Weserfähre nach Bremerhaven und dann das Schild nach Cuxhaven auch (auch wenn ich die Stadt dann doch nicht gesehen habe). Und nach drei Wochen in Leipzig anzukommen und in den Zug Richtung Heimat zu steigen mit dem Wissen, was ich geschafft hatte. Das war auch schön.

Das kann ich mir gut vorstellen. Über Begegnungen hast Du nicht so viel berichtet. Wie waren die Menschen unterwegs. Gab es außer “Frau Katze”-Geschichten, die noch nicht erzählt wurden? Wo hast Du die nettesten Menschen getroffen? Hast Du denn auf Deiner Reise Bekanntschaften geschlossen, die Dir bleiben?

Bank alleinIch habe nichts darüber berichtet, weil es nichts zu berichten gab. Ich habe keine neuen Bekanntschaften gemacht, nur eine alte. Das liegt daran, dass ich es nicht darauf angelegt habe. Während des Tages ist es eh schwierig mit Leuten zu reden, auf dem Rad. Und wenn ich mir für die Pause „die nächste Bank“ vorgenommen habe und diese belegt war, bin ich natürlich weiter zur übernächsten Bank gefahren. Abends bin ich meistens auf dem Zimmer geblieben (das Bloggen kostete jeden Abend an die zwei Stunden  und dann bin ich auch ganz schnell eingeschlafen. Nein, diese Reise war keine soziale. Hatte ich aber auch nicht erwartet.

Unabhängig vom Radfahren betrachtet: Welche Region hat Dir landschaftlich am besten gefallen?

Gerhild, die BiobäckerinEindeutig die meisten Landschaften im Norden, nördlich einer Linie Köln-Halle. Ich steh auf rote Klinkerhäuser und Reetdächer, am besten noch mit einem Storchennest darauf. Ganz besonders schön war es in der Elbtalaue zwischen Bleckede und Wittenberge. Kein Wunder, dass die UNESCO diese Landschaft durch ein Biospärenreservat schützt.

Interessant fand ich auch das Ruhrgebiet. Auf eine ganz andere Art. Während ich bei der Elbe-Landschaft das Gefühl hatte, sie beim Durchfahren als Ganzes zu erleben, dachte ich im Ruhrgebiet immer wieder: Hier muss ich nochmal hin und mir Zeit nehmen, mich vorbereiten und interessante Punkte gezielt anzufahren.

Bist Du auch an einem Ort gewesen, den Du unbedingt noch mal genauer anschauen möchtest ?

Wie gesagt, das Ruhrgebiet. Und das Vierländereck an der Elbe, wo sich Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und von Brandenburg treffen. Da gibt es bestimmt noch sehenswerte Orte. Oder das Osnabrücker Land. Oder Bremen, das ich ganz rechts habe liegen lassen.

Und die Ostseeküste bis Rostock. Die lag nicht auf dieser Tour, es war aber durchaus zwischendurch eine Option, nicht die Elbe nach Süden, sondern weiter Richtung Osten zu fahren. Ich entschied mich aber dagegen, weil ich mich nicht verzetteln wollte “Rhein-Elbe” war diese Tour. Ostsee ist eine andere.

Nachahmer möchten vielleicht auch gerne den einen oder anderen Tipp von Dir. Welche besonderen Lokale oder Ausflugsziele hast Du entdeckt?

Für die insgesamt drei Schiffshebewerke und das Wasserstraßenkreuz habe ich sogar Umwege in Kauf genommen. Diese Bauwerke haben es mir angetan. Ich bin immer noch voller Ehrfurcht, wenn ich an diese Ingenieurleistung denke.

Tolle Torten in Hunden
Tolle Torten in Hunden

Lokale habe ich eher nicht so viele gesehen, weil ich selten Essen gegangen bin. Nur mittags manchmal ein Kaffeundkuchen und da habe ich auch nicht lange gesucht. Da waren ein paar Glücksgriffe dabei wie das Hofcafe Marschendeel in Hunden vor Lüneburg. Aber nach fünfzig oder sechzig Kilometern schmeckt fast jeder Kuchen gut.

Tolle Aussichten
Tolle Aussichten

Zwei drei Hotels habe ich gesehen, die besonders waren: Die Exempel Schlafstuben in Tangermünde waren die Schau. Eine Nacht im Atlantic Hotel Sail City in Bremerhaven habe ich mir beim Erreichen der Nordsee geschenkt, weil man da vom achten Stock tatsächlich die Nordsee sieht.

In Landkarten sind manchmal Punkte mit besonders schönen Aussichten markiert. Hast Du selbst auch unvergessliche Ausblicke entdeckt? 

Das sind Aussichten, die nicht auf einer Karte vermerkt sind: Vom oberen Stockwerk des Hotels in Bremerhaven, als die Sonne durch die Wolken durchbrach. Vom  Deich der Elbe in die Aue, mit einem Storch im Vordergrund. Oder Hitzacker vom anderen Flussufer. Oder Tangermünde, die Mauern da.

Was hast Du auf Deiner Fahrt versäumt?

Mir mehr Zeit zu nehmen. Anfangs war ich getrieben. Ich wollte die möglichst große Runde schaffen, deshalb fuhr ich viel. Allerdings war auch nicht so das Wetter, sich mal irgendwo hinzusetzen oder zu legen und in die Wolken zu schauen. Das kam erst in der dritten Woche und damit auch die Muße.

Welchen Abschnitt Deiner Reise würdest Du unbedingt weiterempfehlen und und warum?

Naja, dass ich mich in den Norden verliebt habe, ist ja jetzt schon rausgekommen. Den kann ich jedem empfehlen, der weite, leere Landschaften mag. Ansonsten empfehle ich ganz generell eine Radwanderung. Strecke und Ziel nach persönlichen Vorlieben und Können. Es soll ja auch Leute geben, die lieber im Erzgebirge auf- und abfahren oder über die Alpen überqueren.

Es erleichtert das Leben auf einer solchen Reise übrigens, wenn man sich an einem ausgeschilderten Radweg orientieren kann. Und derer gibt es ja unendlich viele, mit oder ohne Fluss anbei. Siehe meine Planungskarte.

Abweichend von Deiner Planung bist Du manchmal auch ganz unerwartet unbekannteren Flüssen gefolgt. Du bist Welcher Fluss war für Dich denn letztlich   der schönste?

Die unberührte Elbe. Die Gründe habe ich ja schon erwähnt.

Hast Du sonst noch einen Geheimtipp gefunden, den weitergeben möchtest?

Geheim wahrscheinlich nur für die Süddeutschen, die sich am Gardasee besser auskennen als nördlich des Mains: Tangermünde! Havelberg und Hitzacker auch, aber Tangemünde ist schon ein bombastischer Eindruck. Schon als ich es nur von Fotos kannte, war ich beeindruckt. Und Tangermünde ist – neben den Schiffshebewerken – auch einer der wenigen Punkte meiner persönlichen Sehenswürdigkeitenliste, die ich wirklich angefahren bin. Xanten, Damme und Dümmer oder Cuxhaven sind Umplanungen zum Opfer gefallen.

Würdest Du die Tour so noch einmal unternehmen? Wenn nicht, was würdest Du anders machen?

Ich würde so eine Tour noch mal machen. Nicht die selbe. Ich würde zum Beispiel nicht mehr den Rhein entlang fahren. Das war nicht so sensationell, wie ich es mir vorgestellt hatte. Da gibt es bestimmt Flussradwege, die schöner sind, wenn auch nicht so lang oder so international.

Und wahrscheinlich würde ich bei der nächsten Tour deutlich weniger planen. Ich bin ja manche Streckenabschnitte quasi schon auf Google StreetView abgefahren und hatte schon ganz viele Bilder im Kopf. Würde ich nicht mehr machen. Außerdem ist es dann doch immer alles anders. Einmal falsch abgebogen und schon ändert sich alles. Das würde ich mehr zulassen.

Und weniger Zeug mitnehmen. Obwohl schon auf zwei Taschen reduziert, hatte ich doch wieder Kram dabei, den ich nicht brauchte. Eine zweite Jeans beispielsweise braucht es nicht, wenn man dreiviertel des Tages eh nur in Radhosen unterwegs ist.

Vielleicht würde ich auch mal das Camping probieren, da bin ich mir aber noch nicht sicher.


Das war der letzte Teil der Aufarbeitung. Ab jetzt ist hier wieder normales Leben angesagt.

6 Gedanke zu “Sag mal …”
  1. Danke für diesen inspirierenden Tourenbericht. Es hat großen Spaß gemacht, dich im Nachhinein lesend zu begleiten.

    Der klare und in seiner Stuktur irgendwie mehr Freiheit und offnenen Raum bietende Norden ist tatsächlich auch eine immer wieder reizvolle Abwechslung gerade zum doch ein wenig „bedrängenden“ München. Sogar beim Lesen darüber 😉

    Die Eindrücke bei dir werden vermutlich noch eine Weile lang nachwirken, wieder aufflackern und dann auch Neues anregen. Ich bin gespannt darauf!

    1. Vielen Dank, Lizzy. Es freut mich immer sehr, wenn andere Spaß haben, meine Texte zu lesen. Das ist genauso schön, wie das Schreiben selbst. Aufflackern tut immer wieder was, da hast du recht. Das sind auch schöne Momente. Viele Grüße, Alexandra

  2. Liebe Alexandra,
    eine sehr schöne Zusammenfassung/Nachbearbeitung deiner Tour.
    und die Antworten auf Doris’s Fragen würden mich auch interessieren. Radelst du denn jetzt vielleicht mehr im Alltag?
    Liebe Grüße
    Helge

    1. Liebe Helge, Deine und der Regenfrau Frage habe ich im heutigen Post ausführlich beantwortet. Danke für die Frage!

  3. Liebe Alexandra,
    schön, die Tour noch mal so „zusammengefasst“ nachlesen zu können. 🙂
    Eine Frage hat für mich allerdings gefehlt: wirkt diese Tour noch nach? Hat sich für dich was verändert, wenn du jetzt wieder deine Alltagswege radelst?
    Schönen Sonntag! 🙂

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