Isarau zwischen Vorderriß und WallgauIsarau zwischen Vorderriß und Wallgau

Was haben die Römer, Hannibal und einige Tausend Radler, Autofahrer, Wanderer und ich gemeinsam? Richtig, wir haben die Alpen überquert. Für mich sollte das München – Venedig werden mit dem Rad. In real war es dann Bad Tölz – Venedig – Rovigo. Und ja, mit den Alpen dazuwischen.

Wie ich halt bin, fahre ich nicht einfach los. Da muss schon ordentlich geplant und viele Stunden auf die Karten gestarrt werden. Zum Glück ist die Anzahl der Strecken über die Berge begrenzt, das macht die Entscheidung einfacher. Einige der Pässe disqualifizieren sich sofort von selbst durch ihr Höhenprofil. Dann gibt es noch den „offiziellen“ Radweg München-Venezia über den Brenner, ich entscheide mich aber für die Strecke weiter westlich über den Reschenpass und die Abfahrt durch das Vinschgau. Das wäre dann auch die Via Claudia Augusta. Ein Radweg mit einem Namen, das ist doch was für mich. Also los.

Tag 1: Über das Karwendel

Bad Tölz nach Seefeld ; 73,08 km, 4:49:31 Std., 860 hm

Der erste Tag beginnt früh, sehr früh. So gegen vier Uhr in der Nacht. Der Sohn fährt auf Klassenfahrt und muss um fünf im Bus sitzen. Das schaffen wir und ich liege um halb sechs wieder im Bett. Eigentlich wollte ich ja zügig losfahren, aber es ist noch dunkel und vor allem regnet es stark. Der Mann, der mich an diesem ersten Tag begleiten will, ist auch nicht eben eine treibende Kraft und so geht der Morgen rum. Irgendwann entscheiden wir in Zusammenarbeit mit dem Regenradar, dass wir mit dem Auto fünfzig Kilometer gen Süden fahren und eben in Bad Tölz unsere Fahrt beginnen. Ohne Regen.

Wie zu erwarten, wird dieses Karwendel kein Ponygeburtstag.  Ich bin überhaupt nicht gut im Training komme ziemlich schnell ins Schwitzen, während der Mann sich eine Jacke nach der anderen anzieht, um nicht zu frieren. Wir folgen der Isar flussaufwärts, passieren den Sylvensteinspeicher, Vorderriß, Mittenwald. Nach Scharnitz finden wir uns auf einmal auf der Bundesstraße nach Seefeld und in akuter Lebensgefahr wieder. So viele Autos. So arschige Überholvorgänge. Kein Millimeter Radstreifen und zum Schluss müssen wir uns auch noch anhupen lassen. Völlig entnervt nehmen wir den ersten Weg weg von der Straße, der uns für eine Weile autofern und friedlich Richtung Seefeld führt. Ich bin inzwischen so fertig, dass ich alle Anstiege schieben muss und das meist sehr langsam. Zu langsam für den Mann, der mir irgendwann das Rad aus der Hand nimmt und beide Räder schiebt. Mein Held. In einer meiner Pulsreduzierungspäuschen buche ich uns ein Zimmer in Seefeld. Unsere Adults-only-Pension ist eher ein Altenheim als ein Swinger-Club, deshalb liegen wir bald in der Heia. Ich träume vom nächsten Tag.

Tag 2: Das Inntal

Seefeld nach Prutz, 76.17 km, 4:52:17 Std., 647 hm

In der Nacht regnete es und am Morgen ist es richtig kalt. Wir genießen das Frühstück unter den anderen Adults, satteln unsere Räder und stürzen uns in den zweiten Tag – und in das Inntal hinunter. Das war übrigens der Teil, vor dem ich richtig Angst hatte; 650 hm in 8km runter. So steil und lang einen Berg runter, da hatte ich schon mal ein unschönes Erlebnis. Das gräbt sich ins Gedächtnis und lässt sich auch mit Sachlichkeit nur wenig beruhigen. Der Mann ist super geduldig, bleibt sogar hinter mir als ich den Berg runterbremse. Sehr lieb. Sogar als ich ihn bitte, Rad zu tauschen, dass ich seine hydraulischen Bremsen haben kann, macht er mit. Danke!

Unten in Telfs trennen sich unsere Wege. Er fährt nach Osten, um über den Achenpass zurück zum Auto nach Bad Tölz zu fahren. Ich fahre in die entgegengesetzte Richtung nach Landeck und weiter, so weit ich halt komme. Der Inntalradweg ist infrastrukturmäßig ohne Beanstandung, weitgehend autofrei, gut ausgeschildert, aber auch ein bisschen langweilig. Zwischendurch fällt mir auf, wie laut es eigentlich ist. In diesem Tal rauscht nicht nur der Inn, eigentlich der einzige mit Recht dazu, sondern auch eine Eisenbahnlinie, eine Autobahn und diverse andere Straßen. Und je nach Wind und wenn dann noch ein Helikopter über dem Tal kreist, ist es vorbei mit der Beschaulichkeit.

Vor Landeck fülle ich meine Flaschen mit belebtem Wasser nach Johann Grander aus einem Brunnen an der Straße und warte, dass es hilft. In Landeck selbst streiten sich mein Garmin und die städtische Beschilderung um Weisungshoheit ins Oberinntal. Ich beschließe den Schildern zu glauben, und finde mich auf einem wunderschönen Radweg, oft am Fluss und meistens schön asphaltiert. Inzwischen ist die Sonne  hinter den Bergen verschwunden und es wird empfindlich kalt. Ich erwähle die Gemse in Prutz für mein Nachtlager und freue mich auf den nächsten Tag. Echt? Ja.

2 Gedanke zu “Über die Alpen, Part 1: Karwendel und Inn”
  1. Liebe Alexandra,
    oh ich hab mich beim Lesen der Kurzinfos auf Twitter schon sehr auf die Zusammenfassung gefreut und da ist sie schon! 🙂
    Ich bin, wie immer begeistert von deiner Tour. Du planst immer so tolle Strecken und bereitest dich so gewissenhaft vor! Da könnte ich mir auch mal ein Beispiel dran nehmen. 😉
    Bei der Beschreibung der Bundesstraßenlebensgefahr wird mir allerdings ganz schwummrig. Zuhülf!! 😮
    Gut, dass ihr unbeschadet da weg gekommen seid.
    Gratis Granderwasser und herrliche Radwege – das klingt dann wieder viel sympathischer – ich bin gespannt auf den nächsten Teil. 😀

    1. Ach, man kann es auch übertreiben mit dem Planen und sich verrückt machen. Und leider sind mir ein paar Unschönheiten beim Planen unterlaufen, aber davon mehr im dritten Teil. 🙂

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