Gestern war Ride of Silence-Tag. Hatte ich erwähnt, oder?
Treffpunkt um sechs im Norden der Stadt. Vorher noch aus der Arbeit im fernen Osten in Giesing (mittlerer Osten) den Sohn einsammeln. Ich habe ihn dazu verdonnert überredet mitzufahren.
Von dort einmal mitten durch die Stadt. Schönes Wetter und Feierabendzeit treiben Myriaden RadfahrerInnen auf die Straße bzw. Radwege. An den Ampeln und Kreuzungen ballen sie sich. Überholen, biegen ab, halten an, kümmern sich wenig um die hinter ihnen. Nicht alle natürlich, aber ganz schön viele.
Als Vorstädterin, die nicht oft in die Stadt muss, bin ich das nicht gewohnt, und es zerrt enorm an meinen Nerven. Um mich mental abzulenken, beobachte ich das Zweiradvolk und katalogisiere es:
- Brachiale Bergräder, die denken, sie seien auf einer einsamen Alm unterwegs
- Rassige Rennräder, das auf der Prinzregentenstraße noch schnell einen KOM einfahren muss
- Chice City-Cruidser (rosa), die ihre Fahrerin in engem Rock und High-Heels stilvoll von A nach B bringt
- Zuversichtliche Zweigruppen nebeneinander, die darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr schon zusammenrückt
- Rücksichtslose Rostlauben, die nichts zu verlieren haben und fahren, wo halt Platz ist
und all die vielen vielen anderen, die den Platz dazwischen auffüllen und die Radwege schmal wie Single Trails erscheinen lassen.
Zustände sind das. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn ich mir so einen Stress jeden Tag geben müsste. Aber das ist genau die richtige Einstimmung für eine Demo für eine verstärkt radfreundliche Verkehrspolitik.
Versammlungspunkt ist ein Park. Eine Oase der Ruhe. Zeit die vielen Leute und Räder zu begutachten. Noch ein paar mehr Spezien zur Kategorisierung.
Und erfreuliches Zwischenmenschliches: Mein treuer Leser Stephan ist da und gibt sich zu erkennen. Sehr nett, dich nun auch einmal persönlich kennengelernt zu haben, Stephan. Leider war ich nicht fix genug, ein Selfie mit deiner Andra-Felge zu machen. 🙂
Nach Belehrung und Kundgebung geht es endlich los. Auf einer Fahrspur, zwei drei Radler nebeneinander. Pozileiauto vorne und hinten und vier fette Motorräder zur Sicherung der Kreuzungen, cruisen wir durch die nördlichen Vorstädte. Ein Stückchen auf dem großen und wichtigen Frankfurt Ring, was ganz schön viele Autos ärgert. Überhaupt gefällt mir an der ganzen Sache sehr, dass die Autos mal keine Vorfahrt haben, dass sie warten müssen, dass sie von der Polizei auch zurückgepfiffen werden, bis an die hundert Zweiräder vorbei sind. Und ich bin nicht schadenfroh. Und auch nicht schizophren, nur zwei Seelen wohnen ach!
Wir cruisen weiter durch das nördliche Outback, der Sohn auch ganz diszipliniert und nur ein kleines bisschen gelangweilt, bis wir irgendwann wieder in Schwabing und auf der Leopoldstraße ankommen. Darauf hatte ich mich besonders gefreut: Leopold- und Ludwigstraße, Odeonsplatz und Maximilianstraße, Isartor. Mittendurch und der Verkehr steht still für uns.
Am Isartor, etwa zur Halbzeit, steigen der Sohn und ich aus. Unsere Mägen schleifen schon seit einiger Zeit straßenverkehrsordnungswidrig auf dem Boden, und wir brauchen dringend Kraftstoff. Schnell drehen wir uns beim Hans im Glück Burger rein und eilen dann Richtung Heimat. Immerhin ist es schon neun; der Bub muss schließlich ins Bett.
Zufrieden, dass ich dabei war, lege ich mich auch ab und träume von straßenbreiten Radwegen mit Überholspur und Platz genug für alle, von zweirädrigen Verkehrsteilnehmern, die sich alle an die minimalen Regeln des Miteinanders halten, von einer städtischen Verkehrspolitik, die sich endlich traut, es Kopenhagen und den Niederlanden gleich zu tun und die Räder an erste Stelle zu stellen. Früher war es ja auch undenkbar, die Autos aus der Gegend zu verbannen, die heute Fußgängerzone ist. Heute regt sich keiner mehr auf. Oder Rauchverbot in Kneipen. War auch als der Untergang einer ganzen Branche verdammt. Also warum nicht mal mutig sein und alles innerhalb des Altstadtrings für Autos sperren? Wie gesagt, Träume.
[…] ich wieder die Diversität der Radszene. Im Gegensatz zu den vorherigen Veranstaltungen (z. B. hier) sind etliche Kinder dabei, manche mit wirklich sehr kleinen Reifen, sie mühen sich ab, aber haben […]
Das war wirklich eine coole Aktion. Ich fahr viel zu wenig Fahrrad, aber mit dem Rosa City Cruiser und stilvoll gekleidet. Da hattest du mich. Ich fahr mal wieder mit dem Rad zur Arbeit. Stilvoll natürlich…
Hallo Svenja, dann mal los! Allerdings würde ich persönlich ja eher zu funktionaler Kleidung raten. Radhose und Trikot statt engem Rock und Bluse. Radsachen gibt es auch in Rosa 🙂 Vielen Dank fürs Mitlesen und viele Grüße in den hohen Norden, Alexandra
Träum weiter! — Soll heißen: Gib nicht auf, und lass Dir diese schönen Träume nicht austreiben.
Es hat mich sehr gefreut, Dich einmal persönlich kenenzulernen, zumal Du Dich ja um meine Teilnahme am „Ride of Silence“ verdient gemacht hast, wie ich ja an anderer Stelle schon geschrieben hatte.
Nach Aussage von Andreas Groh vom ADFC warne wir nicht allein: Je nach Zeitpunkt bestand der Tross aus 100 bis 150 Fahrrädern samt Fahrenden. Gut, so viele Teilnehmer gab’s auch in Osnabrück …
🙂 Irgendwo auf Facebook hat ADFC-Andreas auch geschrieben „zeitweise 200“. Ist doch ordentlich. Nochmal so viele und wir haben die Ratio von Berlin erreicht. Dort waren wohl über 1200 unterwegs. Bei der Geschwindigkeit muss es ewig gedauert haben, bis eine Kreuzung wieder frei war. 🙂
Viele Grüße, Alexandra
P.S.: Inzwischen habe ich auch die Schreibweise deines Namens korrigiert. Entschuldige bitte die Unachtsamkeit.
Wenn ich mir überlege, wie in München schon etliche Autosüchtige gezetert haben, muss das in Berlin sicher „interessant“ gewesen sein.
Ein bisschen enttäuscht bin ich von der schwachen Berichterstattung (Bloggende ausgenommen!). Nicht einmal auf den Seiten des ADFC ist bislang mehr zu finden als der — mittlerweile obsolete — Terminhinweis.